(Erschienen in: Renate Mayntz/ Fritz W.Scharpf (Hrsg.), 1995: Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung. Frankfurt a.M.: Campus: 299-327 - Die dort enthaltenen Fußnoten fehlen im folgenden Text)

Kooperation und institutionelles Lernen in Netzwerken der Vereinigungspolitik

 

Roland Czada

 

Die Problemlösungsfähigkeit der Politik hängt nicht allein von Strukturmerkmalen der beteiligten Organisationen und Beziehungsnetzwerke, sondern ebenso von situativen Faktoren ab. So erscheinen die Adressaten politischer Steuerung oft nur deshalb als eigensinnig, weil sie mit Problemen konfrontiert sind, die sich aus der Perspektive einer zentralen Steuerungsinstanz ganz anders darstellen. Die Verschiedenheit der Beobachterpositionen genügt, um bei ansonsten gleichen Akteureigenschaften divergierende Handlungsprogramme auszulösen. Selbst bei identischer Zielsetzung, kompatiblen Binnenstrukturen und störungsfreier Kommunikation sind in diesem Fall Koordinations- und Steuerungsprobleme erwartbar. Die Verschiedenheit der Perspektive – etwa zentral versus örtlich – wäre nur dann aufgehoben, wenn bei allen mit einem Problem befaßten Akteuren zur gleichen Zeit genau gleiche Informationen eingingen. Diese Bedingung ist umso weniger erfüllbar, je häufiger sich bei den Steuerungsadressaten neue unvorhersehbare Situationen einstellen, auf die sie – um sich bietende Chancen wahrzunehmen oder um drohende Gefahren abzuwenden – schnell reagieren möchten. Verfügen sie zudem über einen gewissen Erfindungsreichtum bei der Erprobung neuer, für sie erfolgversprechender Handlungsalternativen, sinken die Chancen steuernder Intervention weiter. Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie in dieser von Überraschungen und Unübersichtlichkeit geprägten Steuerungssituation eine Koordination dezentraler Akteure möglich ist.

Dezentrales, von situativen Problemsichten getragenes autonomes Handeln ermöglicht zwar rasche Anpassungen an veränderte Umweltbedingungen. Zugleich schwächt es aber die Fähigkeit zu kollektiven, systemübergreifenden Problemlösungen. Dezentrale Anpassungsreaktionen führen zu abnehmender Bindung im politischen Akteursystem und verursachen Inkompatibilitäten zwischen Teillösungen. Letztlich drohen nicht nur Koordinationsdefizite, sondern der Verlust von Berechenbarkeit und sozialer Ordnung; vor allem dann, wenn sich Akteure unter situativem Handlungsdruck ständig über etablierte Regeln hinwegsetzen. Das Problem stellt sich verschärft, wenn rasches, situativ bedingtes lokales Handeln irreversible Folgen zeitigt, die auf längere Sicht unübersehbar sind.

In der Politik der deutschen Vereinigung ist die Spannung zwischen der Entdeckung und Erprobung neuer Problemlösungen vor Ort und dem Erhalt zentraler Handlungskompetenz und etablierter Regelsysteme besonders hervorgetreten. Angesichts einer beispiellosen Herausforderung befanden sich die politischen Akteure in einem Zielkonflikt: Einerseits boten sich ihnen erfolgversprechende neue Handlungsalternativen, die Änderungen ihrer Beziehungsstrukturen und Abweichungen von bestehenden Regeln voraussetzten. Andererseits wollten sie eine institutionelle Struktur bewahren, die strategische Berechenbarkeit verbürgen konnte. Dieses Ziel hat offenkundig jene Politiker geleitet, die sich am Beginn des Vereinigungsprozesses für eine unveränderte Übertragung der westdeutschen Institutionen auf die neuen Bundesländer aussprachen (vgl. Schäuble 1991: 115–116; Lehmbruch 1993). Eine neue politische Verfassung, die das ›vorläufige‹ Grundgesetz gemäß Artikel 146 ersetzen sollte, bis hin zur Reorganisation des Regierungssystems, wie sie von Wissenschaftlern aus Effizienzgründen gefordert wurde, hätte den sachlichen Unsicherheiten des Aufbaus Ost weitere Unberechenbarkeiten im politischen Akteursystem hinzugefügt, die alle maßgeblich Beteiligten tunlichst vermeiden wollten (vgl. Manow 1994; Mayntz 1994a; Czada 1995).

Im Folgenden versuche ich, die Entwicklung der Vereinigungspolitik aus dem Bemühen zu erklären, die angesichts neuer Problemlagen notwendige Flexibilität des Handelns zu erlangen, ohne den Vorteil strategischer Berechenbarkeit aufzugeben. Dies gelang im Verlauf institutionell gesteuerter kollektiver Lernprozesse, in denen sich handlungsleitende Situationsdeutungen der veränderten Lage schrittweise annähern konnten. Dabei wuchs nicht nur der Realitätsgehalt neuer Problemsichten. Zugleich gewannen die beteiligten Akteure jene innere Handlungskompetenz und nach außen gerichtete Kooperationsfähigkeit, die sie zur Lösung gemeinsam erkannter Probleme brauchten. Der Erfolg solcher Lernprozesse hing von einigen Bedingungen ab, die in der Vereinigungspolitik gegeben waren: erstens handelte es sich um eine Krisensituation, in der alle Beteiligten von sachlicher Unsicherheit gleichermaßen betroffen waren, und zweitens konnte man wechselseitige Rücksichtnahmen im Akteursystem erwarten, die von institutioneller Verflechtung und gemeinsamen Bestandsinteressen erzwungen wurden.

   

1. Institutionentransfer und politische Improvisation

 

Mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion und der staatsrechtlichen Vereinigung begann eine Phase der Vereinigungspolitik, die durch die Übertragung der im Westen für bewährt gehaltenen Institutionen in die neuen Bundesländer geprägt war (Lehmbruch 1993). Hinzu trat ein Moment der Improvisation insbesondere bei der Formulierung von Sofortmaßnahmen. Während die Formalstrukturen weitgehend stabil blieben, glich die Politikentwicklung einer politischen ›Stegreifdarbietung‹, bei der Bekanntes variiert und in neue Kontexte beziehungsweise Problemumwelten verpflanzt wurde.

Dieses Muster der frühen Transformationspolitik kann am Beispiel des in den ersten Monaten des Jahres 1991 konzipierten Gemeinschaftswerkes Aufschwung-Ost verdeutlicht werden. Das Programm »fiel gleichsam vom Himmel, die kurze interne Erarbeitungsphase verlief ohne öffentliche Debatte« (Mäding 1993: 5). Landesregierungen, Kammern und Verbände – obwohl für die Implementation gebraucht – wurden an der Konzeption nicht beteiligt, da sie im Osten noch nicht funktionsfähig waren und die Bundesregierung im übrigen ihr stillschweigendes Einverständnis voraussetzte. In seiner Entstehungsgeschichte sind, abgesehen von anfänglichen Zuständigkeitsproblemen zwischen Bundesministerien, kaum politische Konflikte festzustellen. Das zugrundeliegende Strategiepapier wurde im Bundeswirtschaftsministerium von einem Referatsleiter verfaßt. Hinzu kamen einige Anregungen aus dem Bundeskanzleramt. Das Innenministerium hatte den Vorschlag einer Investitionspauschale für die Gemeinden beigesteuert. »Nur wenige wichtige, strittige Detailfragen wurden auf Ministerebene behandelt ¼ Auffällig ist, daß es insgesamt offenbar keine nennenswerten Kompetenzkonflikte gegeben hat« (Mäding 1993: 8). Politiker in Bund und Ländern waren der Meinung, hier würden eben die im Westen seit 1969 bestehenden Gemeinschaftsaufgaben zur regionalen Wirtschaftsförderung auf den Osten ausgedehnt. Insgesamt hat man also nicht die politischen Instrumente den neuartigen Problemen angepaßt, sondern die Probleme so vereinfacht, daß sie zu den hergebrachten Instrumenten paßten – eine Strategie der unmittelbaren Situationsbeherrschung, die den Vereinigungsprozeß von Anfang an prägte (Lehmbruch 1990: 463, 472).

Die Frage nach vereinigungsbedingtem Wandel wäre für diese frühe Phase eindeutig negativ zu beantworten, wenn es nicht einige Neuerungen gegeben hätte, die im weiteren Verlauf erhebliches Gewicht gewinnen konnten. Mäding (1993) nennt die kommunale Investitionspauschale, die den Mittelabfluß beschleunigen und die Autonomie der Gemeinden sicherstellen sollte. Tatsächlich führte sie in einigen Fällen dazu, daß Kommunen der neuen Bundesländer die Zuweisungen am Kapitalmarkt angelegt oder direkt an notleidende West-Kommunen verliehen haben. Häufig wurden überdimensionierte Infrastruktureinrichtungen gebaut, die sich unerfahrene Bürgermeister und Gemeinderäte von eilfertigen Verkäufern aufdrängen ließen. Die Landesrechnungshöfe und Ministerien waren noch nicht funktionsfähig genug, diesen Prozeß zu überwachen und koordinierend einzugreifen. Die im Westen bekannten Maßnahmen führten unter den Bedingungen des Verwaltungsaufbaus zu Zielabweichungen, die gewiß voraussehbar waren, aber von den an einem raschen Mittelabfluß interessierten Zentralinstanzen stillschweigend hingenommen wurden. Jedes andere Vorgehen hätte den Aufbau Ost so lange verzögert, bis die volle Regelungsdichte der Bundesrepublik erreicht und auch gemeistert worden wäre, oder es hätte rasche institutionelle Anpassungen zur Folge gehabt, die zu gänzlich neuen Management- und Kontrollstrukturen in den Kommunalverfassungen hätten führen können. Die tatsächliche Entwicklung war indessen von institutioneller Stabilität und informellem Pragmatismus gekennzeichnet.

Eine folgenreiche Neuerung des Gemeinschaftswerkes bestand in der Möglichkeit, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) nicht nur in Form von Lohnkostenzuschüssen, sondern bis zu einem Drittel der Gesamtkosten sachlich auszustatten. Diese Praxis wurde in späteren Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik beibehalten und weiter ausgebaut. Die auf die Behandlung individueller Arbeitslosigkeit progammierte Arbeitsverwaltung wurde im Osten plötzlich Investor, Miteigentümer oder Gewährträger von Unternehmen, deren Betriebs- und Personalkosten sie zu einem Großteil tragen mußte. Daraus entstand die Notwendigkeit täglicher und enger Zusammenarbeit zwischen lokalen Arbeitsämtern und Beschäftigungsgesellschaften, die nicht mehr regelorientiert in der Betreuung einzelner Arbeitloser bestehen konnte. Deshalb hat der sächsische Ministerpräsident Biedenkopf eine Dezentralisierunng der Bundesanstalt für Arbeit durch die Einrichtung von Länderanstalten gefordert. Diese mittelfristig zu erwartende institutionelle Konsequenz aus der materiellen Politikentwicklung wäre paradigmatisch für institutionelle Anpassungen im Vereinigungsprozeß.

Zu den institutionellen Innovationen zählt Mäding (1993: 15) »die Propagierung sogenannter ›Aufbaustäbe‹ unter der Leitung von Landräten beziehungsweise Oberbürgermeistern«. Darin sollten Vertreter der öffentlichen Verwaltung, der Arbeitsverwaltung, der öffentlichen Wirtschaft, Industrie- und Handelskammern und Gewerkschaften beratend zusammentreten (Bundesregierung 1991: 19). Die aus dem Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost hervorgegangen Aufbaustäbe bildeten eine Keimzelle der Regionalplanung in den neuen Bundesländern. Ihre Arbeit hat die Gestaltung von Regionalplanungsgesetzen wesentlich beeinflußt. In Brandenburg bot die Landesregierung den seit Mai 1994 gesetzlich vorgesehenen regionalen Planungsgemeinschaften an, die Geschäftsstellen der regionalen Aufbaustäbe zu übernehmen (Oel 1994: 67). Die landesrechtliche Formalisierung der durch Bundesgesetz initiierten regionalen Konzertierungsgremien bedeutet indessen auch eine Einschränkung vorheriger Handlungsspielräume. Beteiligte nannten die bis 1994 vorherrschende informelle Organisation »nahezu genial ¼ wenn man die Instrumente von Verwaltung, Politik und Öffentlichkeitsarbeit beherrscht« (ebd.). Wie überall in der Vereinigungs- und Transformationspolitik schufen fehlende Kompetenz- und Zuständigkeitsregelungen Freiräume auf der operativen Verwaltungsebene, wie sie der ›arbeitende Staat‹ der alten Bundesrepublik zuvor nicht gekannt hatte. Sie wurden im Fall der Aufbaustäbe durchaus produktiv eingesetzt – wenngleich nicht allerorts gleich erfolgreich. Vieles hing hier von persönlicher Kompetenz und Initiative ab.

Improvisation im Gefolge des Institutionentransfers ist daneben auf Verzögerungen bei der Adoption neuer Regelsysteme und gelegentlich auf Überforderung zurückzuführen – vor allem im Bereich des Verwaltungsaufbaus der neuen Bundesländer. Eine weitere Ursache liegt in den Handlungsspielräumen, die das westdeutsche Institutionengerüst im Vergleich zum bürokratischen Sozialismus der DDR bieten konnte. Die Kommunalautonomie ist hier zu nennen, aber auch die Komplexität der übertragenen Regelsysteme, die mit zunehmendem Umfang, wachsenden Querverbindungen und unter restriktiven Vollzugsmöglichkeiten die Interpretations- und Handlungsspielräume der mit dem Vollzug Beauftragten erweiterten (vgl. Eggert 1994; Ellwein 1992: 23–25).

 
 

2. Dezentrale Anpassung und Konflikte im Vereinigungsprozeß

 

Von den aus Besonderheiten des Institutionentransfers herrührenden dezentralen Improvisationen müssen zuvor oder gleichzeitig einsetzende Versuche von Interessenten unterschieden werden, die im Transformationsprozeß ihre eigene Position verbessern wollten. Prominentes Beispiel sind die ›Stromverträge‹, die noch vor der staatsrechtlichen Vereinigung im August 1990 zwischen der DDR-Regierung und westdeutschen Elektrizitätskonzernen unter Mitwirkung der Treuhandanstalt (THA) und des Bonner Umweltministeriums geschlossen wurden. Bereits zu Beginn des Jahres, als die Vereinigung noch nicht feststand, versuchte die DDR-Regierung westdeutsche Konzerne als Investoren und Geschäftsbesorger zu gewinnen. Verhandlungen, die auf Unternehmensebene geführt wurden, scheiterten, weil sich die Westfirmen in wechselseitiger Konkurrenz die Filetstücke der Branche sichern wollten (Richter 1995). Das hätte die staatlich gewollte und volkswirtschaftlich notwendige Modernisierung des gesamten Elektrizitätsnetzes ausgeschlossen. Daher drängten beide Regierungen auf eine Paketlösung in Form der Stromverträge, die eine gemeinsame Übernahme der DDR-Elektrizitätswirtschaft einschließlich der vorhanden Anlagen zur Braunkohleverstromung durch die westdeutschen Marktführer vorsah. Einwände des Bundeskartellamtes gegen eine entstehende Monopolstruktur und Vorahnungen künftiger Konflikte mit den Interessen kommunaler Energieerzeuger und Netzbetreiber wurden mit Sachzwangargumenten zurückgewiesen (Richter 1995; Kartte 1990: 839; Süddeutsche Zeitung vom 23.08.1990: 23). Mindestens eines dieser Argumente erwies sich im weiteren Verlauf als berechtigt: Die aus beschäftigungspolitischen Gründen erwünschte weitere Nutzung der auch ökonomisch als konkurrenzfähig angesehenen ostdeutschen Braunkohle hätte sich in einer dezentralen, auf Gaskraftwerke und Kraft-Wärme-Koppelung setzenden, kommunalen Versorgungswirtschaft nicht realisieren lassen.

Die Stromverträge widersprechen in vieler Hinsicht dem Kommunalvermögensgesetz, das parallel in der DDR-Volkskammer, aber ohne Abstimmung mit der Energiewirtschaft entstanden ist. Das Organisationsmodell der privaten Großenergiewirtschaft kollidiert hier mit dem Leitbild einer Energieversorgung als kommunale öffentliche Dienstleistung. Der Konflikt rührt nicht allein aus dem Gegensatz zwischen privater und öffentlicher Aufgabenerfüllung. Er gewinnt zusätzliche Brisanz, weil die Stromverträge auf ein privates Monopol zusteuerten, das mit der großräumigen Zusammenfassung von Elektrizitätsproduktion und -verteilung den Zentralismus der DDR-Stromwirtschaft zum Teil noch übertroffen hat – denn in der DDR waren die Produktion und Verteilung von Strom organisatorisch getrennt, letztere zudem auf Bezirksebene angesiedelt. Das Kommmunalvermögensgesetz favorisiert demgegenüber eine dezentrale und dabei weitgehend öffentliche, kommunale Organisation der Elektrizitätsversorgung.

Der ›Stromstreit‹ zwischen verbundwirtschaftlichen und kommunalen Energieinteressen konnte nicht auf Grundlage der Einigungsgesetzgebung entschieden werden. Hier orientierte sich die Elektrizitätswirtschaft an den Stromverträgen, die dem Leitbild der großindustriellen Verbundsysteme verpflichtet sind, während die Städte und Gemeinden der DDR, gestützt auf das Kommunalvermögensgesetz und beraten vom westdeutschen Verband der Kommunalunternehmen (VKU), den Aufbau einer eigenen, dezentralen Energieversorgung anstrebten. Die Rechtslage war ambivalent, und auch nach dem juristischen ›Üblichkeitsprinzip‹ konnte der Stromstreit nicht entschieden werden, weil die Abgrenzung von Verbundstufe, Regionalstufe und Verteilstufe bereits in den achtziger Jahren brüchig geworden war.

Im Stromstreit sah sich selbst das von 165 Ostkommunen angerufene Bundesverfassungsgericht außerstande, die entsprechenden Regelwerke (Kommunalvermögensgesetz, Treuhandgesetz, Einigungsvertrag, Stromverträge, Vermögenszuordnungsgesetz) anzuwenden. Ein unter Mitwirkung des Gerichtes formulierter Interessenausgleich führte im Nachhinein häufig zu förmlichen Konsortialvereinbarungen zwischen Verbundunternehmen und Stadtwerken, die – anders als die im Westen üblichen Konzessionsverträge – auf eine gemischtwirtschaftliche Führung der Verteilstufe hinauslaufen. Damit werden die absehbaren Folgen einer bevorstehenden Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes kompensatorisch vorweggenommen, von der kommunale Stromversorgungsunternehmen einen erhöhten Wettbewerbsdruck erwarten, den sie nur im Verein mit einem Verbundpartner bestehen zu können glauben. Es bleibt im übrigen der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes vorbehalten, künftige sektorale Lenkungsmechanismen festzuschreiben und damit zugleich eine neue Üblichkeit herzustellen. Kurz gefaßt: Die Transformation des Stromsektors entwickelte sich von Versuchen dezentraler Unternehmenskooperation über eine zentral ausgehandelte, jedoch intersektoral unkoordinierte Paketlösung und anschließende Versuchen horizontal koordinierter Folgenbearbeitung bis hin zu wiederum dezentralen Anpassungen, die zuletzt zwischen Elektrizitätsunternehmen und Kommunen ausgehandelt wurden.

Beispiele für dezentralen Opportunismus finden sich auch in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik (zur Transformation der Gesundheitspolitik vgl. Manow 1994; Wasem 1994). Wenige Monate nach der Vereinigung mußte man feststellen, daß in Treuhandunternehmen mit Hilfe westdeutscher Berater betriebliche Kündigungsschutzabkommen und Sozialpläne mit zum Teil abenteuerlichen Abfindungssummen vereinbart worden waren – in einem Fall sollte bis zum Rentenalter das volle Gehalt gesichert werden, in einem anderen wurden Abfindungen von 156.000 DM für jeden entlassenen Arbeitnehmer festgelegt, jeweils in der Erwartung, der Steuerzahler beziehungsweise die Treuhandanstalt werde dafür aufkommen. Eine einheitliche Regelung über den Interessenausgleich im Kündigungsfall konnte durch eine erste Rahmenvereinbarung der Treuhandanstalt mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Deutschen Angestelltengewerkschaft vom 13.04.1991 getroffen werden.

Der in einer frühen Phase vorherrschende Institutionentransfer von West nach Ost und viele der zugleich einsetzenden lokalen und sektoralen Anpassungsprozesse erwiesen sich als untauglich, wo sie den Besonderheiten des Aufbaus Ost aufgrund von Problemvereinfachung und mangelnder Flexibilität (im Falle des Institutionentransfers) sowie wegen unzureichender Koordination und längerfristiger Konfliktträchtigkeit (im Falle vereinzelter, opportunistischer Anpassungen) nicht gerecht werden konnten. Daraus entstanden nun Folgeprobleme und Lerneffekte, die den weiteren Verlauf prägen sollten. In der zweiten Phase dominierten Prozesse des Erfahrungslernens, aus denen die ›Reparatur‹ vorangegangener Irrtümer und institutionelle Anpassungen folgen sollten.

 
 

3. Erfahrungslernen und institutionelle Anpassung

 

Pragmatische, informelle Problemlösungen lassen ebenso wie der Institutionentransfer die Legalordnung unverändert – solange es sich um vereinzelte, voneinander unabhängige lokale Maßnahmen handelt. Soweit sie die Flexibilitätsreserven des politischen Systems ausbeuten, also auf »organizational slack« (Cyert/March 1963: 37–38) zurückgreifen oder vorhandene Regelungslücken informell ausfüllen, stabilisieren sie die bestehenden Institutionen. Problematisch wird es, wenn viele Akteure oder Akteurgruppen voneinander unabhängig eine Vielzahl aus Versuch und Irrtum bestehender Anpassungsschritte beziehungsweise Lernschleifen durchlaufen und dabei auftretende Konflikte in Konfrontation und Blockade einmünden. Je mehr Einzelerfahrungen und informelle Abweichungen zusammentreffen, desto dringlicher stellt sich die Frage der Koordination und nachhaltigen Anpassungen inbesondere des rechtlichen Gesamtrahmens.

Inkompatible Problemlösungen lassen sich in der Vereinigungspolitik vielerorts ausmachen. Die Transformation der Elektrizitätswirtschaft ist nur ein Beispiel. So hat die Treuhandanstalt im Rahmen von Unternehmensverkäufen häufig auch die Privatisierung von Sportplätzen, Bildungseinrichtungen oder Gefängnissen betrieben, die früher Verwaltungseigentum waren, in der DDR aber den Kombinaten und VEBs übertragen worden waren (vgl. König/Heimann 1993). Da fand sich eine Rostocker Werft plötzlich im Besitz eines Gefängnisses, in dem zu DDR-Zeiten gefangene Werftarbeiter untergebracht waren, oder eines Landungssteges, der früher der Stadt gehört hatte. Solche Situationen waren vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die aus einer DDR-spezifischen Aufgabenabgrenzung zwischen Staatsverwaltung und Staatswirtschaft resultierende Transferproblematik war nicht ausreichend bedacht worden. Die Treuhandprivatisierer wurden überrascht und mußten, soweit Revisionsklauseln in den Verträgen vereinbart und Grundbucheinträge noch nicht erfolgt waren, solche Privatisierungsentscheidungen auf der Grundlage eines novellierten Vermögenszuordnungsgesetzes und einschlägiger Gerichtsurteile zurücknehmen.

Bereits im Frühjahr 1991 und verstärkt im Verlauf des Jahres 1992 gab es Neuregelungen, die frühe Fehleinschätzungen oder Versäumnisse korrigieren sollten. Wesentliche Reparaturen resultierten aus oft schmerzhaftem Erfahrungslernen. So mußte die Treuhandanstalt feststellen, daß Alteigentümer ihre einst sozialisierten Unternehmen nicht zurückforderten, um sie zu modernisieren und so zum Aufbau Ost beizutragen, sondern lediglich in der Hoffnung auf künftige Bodenwertsteigerungen. Investoren waren oft nur dann zu Unternehmenskäufen und Investitionen bereit, wenn sichergestellt war, daß auch andere investierten und nicht zuletzt Staat und Kommunen eine ausreichende Infrastruktur bereitstellten. Unterblieb aus diesen oder anderen Gründen eine Investition, so hatte dies mitunter das Scheitern weiterer Projekte zur Folge. Im ökonomischen Transformationsprozeß drohte so die ständige Gefahr regionaler Niedergangspiralen – Kettenreaktionen, die den Zusammenbruch von ganzen Produktionsstandorten heraufbeschworen. Statt des erwarteten selbsttragenden Aufschwungs drohte – womöglich unter Beteiligung der Treuhandanstalt – ein selbstfallender Abschwung.

Solche Einsichten markieren den Wendepunkt einer zuvor flach verlaufenden Lernkurve der Vereinigungspolitik. Im Rahmen der sogenannten Solidarpaktverhandlungen zwischen Bund, Ländern, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften sind daraufhin eine Reihe gänzlich neuer Programme verwirklicht worden. Der kostspielige Erhalt ›industrieller Kerne‹, die ›Bankenmilliarde« (ein Engagement der Banken, das die Bundesregierung mit deren Verbandsorganisationen vereinbart hat), eine vom Bundesverband der Deutschen Industrie getragene ›Einkaufsoffensive-Ost‹ und die Gründung großer Beschäftigungsgesellschaften wie das ›Qualifizierungswerk Chemie‹ oder das »Sanierungswerk Braunkohle« waren Maßnahmen, die das ursprüngliche Konzept nicht vorsah (vgl. Czada 1993, 1994b, 1995; Webber 1994). Hinzu kamen eine Reihe von ›Reparaturgesetzen‹, durch die frühe Regelungen der Vereinigungs- und Transformationsgesetzgebung ersetzt wurden. Sie betrafen die Schmälerung des Prinzips der Rückübertragung von Alteigentum zugunsten des Investitionsvorranges, die Klärung strittiger Fragen im Aufgabenzuschnitt des öffentlichen Sektors, die Beschleunigung der Vermögenszuordnung oder die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren. Es handelt sich hier um eine evolutionäre Regelbildung, in deren Verlauf untaugliche Problemlösungen durch solche ersetzt wurden, die aufgrund von Erfahrungslernen angemessener erscheinen mußten.

Fast durchweg kamen die Anregungen zur Reparaturgesetzgebung aus dem unmittelbaren Vereinigungsmanagement. Die Treuhandanstalt gab den Anstoß zu Regelungsinhalten des Vermögenszuordnungsgesetzes, des Investitionsvorranggesetzes, zur Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes, zum Treuhandanstalt-Kreditaufnahmegesetz und zum Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz. Die Gesetzgebungsverfahren sind gegenüber den achtziger Jahren erheblich schneller geworden – und dies obwohl ab 1991 die von der Bundestagsopposition getragenen Landesregierungen im Bundesrat stärker wurden und ab Mai 1992 die Politik der Bundesregierung ganz blockieren konnten.

Wie rasch sich Bund und Länder trotz möglicher Blockaden einigen konnten, wird an den Verhandlungen zum Föderalen Konsolidierungsprogramm, das die gemeinsame Finanzierung der Vereinigungspolitik durch Bund und Länder auf Dauer sichern sollte, besonders deutlich. Der informell vorverhandelte Gesetzgebungsprozeß dauerte hier nur wenige Monate (vgl. Czada 1995). Da die Bundesregierung, einzelne Landesregierungen und vor allem die Parteien stark abweichende Vorstellungen hatten, hätte das Vorhaben in dem formalisierten Verfahren im Vermittlungsausschuß zwischen Bundestag und Bundesrat an der dort stark ausgeprägten Parteienkonkurrenz leicht scheitern können. Der Weg über eine als verfassungsmäßiges Entscheidungsgremium nicht vorgesehene Klausurtagung aller Regierungsorgane hat demgegenüber die Parlamentsfraktionen weitgehend ausgeschaltet (vgl. Czada 1995). Sie durften am Rande teilnehmen, als der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder berieten und endgültig beschlossen, was die Spitzen der Exekutiven zunächst in bilateralen, dann in einer Serie multilateraler Gespräche vorverhandelt und entscheidungsreif gemacht hatten.

Das sehr ausgeprägte Bemühen von Parteienregierungen in den Ländern, den Parteienwettbewerb soweit als möglich aus den Verhandlungen herauszuhalten, ist allerdings erklärungsbedürftig. Der Verweis auf die traditionell kooperative Aushandlungslogik zwischen den Ländern reicht hier kaum aus, zumal die Bundestagsopposition kurz zuvor die Mehrheit im Bundesrat erlangt hatte und Wahlen in einigen Ländern sowie eine Bundestagswahl im Folgejahr bevorstanden – lauter Gründe, die für eine Intensivierung des Parteienwettbewerbs gesprochen hätten. Daß es dazu nicht kam, ist neben dem unmittelbaren Entscheidungsdruck und den komplexen sachlichen Problemen der Finanzierung der Einheit auf ein Moment strategischer Unsicherheit zurückzuführen. Vor allem war unklar, wie die Länderkoordination mit nunmehr 16 Ländern und unter Einwirkung ganz neuer Konfliktlinien funktionieren würde. Diese Unsicherheit ist durch ein weites Spektrum verschiedener und teilweise prekärer Regierungskoalitionen in den Ländern verstärkt worden. ›Ampelkoalitionen‹ in Bremen und Brandenburg, eine sozialliberale Koalition in Rheinland-Pfalz und große Koalitionen in Baden-Württemberg und Berlin führten dazu, daß die Amtsträger und Regierungsparteien dieser Länder jeder Konflikteskalation entgegenwirkten, weil sie um den Erhalt ihrer Regierungsfähigkeit fürchten mußten. Vielfältige Koalitionen im Bundesstaat begünstigen offenkundig die Konsensbildung zwischen den Ländern, weil eine Parteipolitisierung der Länderkoordination und im Bund-Länder-Verhältnis unkalkulierbare Folgen für die Stabilität bestehender Akteure und Akteurgruppen hätte. Darauf mußte auch die Bundesregierung Rücksicht nehmen, weil sie selbst am Erfolg der ihr nahestehenden Landesregierungen und insgesamt an einer handlungsfähigen Landespolitik insbesondere in den neuen Bundesländern interessiert war. Sie warb in mehreren Gesprächen des Bundeskanzlers mit dem saarländischen Ministerpräsidenten, Oskar Lafontaine, als Sprecher der A- und West-Länder und mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf als Sprecher der B- und Ost-Länder um eine zwischen allen Beteiligten einvernehmliche langfristige Regelung der Finanzierungsfrage und ökonomischen Standortsicherung.

Der Vorgang markiert den Höhepunkt einer Informalisierung, das heißt einer Auslagerung der Entscheidungen aus dem politischen Normalbetrieb, wie sie die Vereinigungspolitik insgesamt kennzeichnet (Czada 1994a: 247 und passim). Ihre Triebfeder war der unmittelbare Erfolgsdruck, denen sich die Regierungen von Bund und Ländern gleichermaßen ausgesetzt sahen. Die Rationalität kooperativen Verhaltens resultierte in diesem Fall aus vergleichsweise einfachen Überlegungen, die von dem Ziel der Situationsbeherrschung geleitet waren (vgl. Mayntz 1994a: 277 und passim).

Sachliche Unsicherheit, Problemdruck, komplexe Konfliktlinien und überlappende Zugehörigkeiten im Akteursystem erscheinen als die wesentlichen Determinanten raschen und kooperativen Handelns. Das Verfahren ist durch Informalität gekennzeichnet. Es sind über weite Strecken nicht Verhandlungen, in denen feste Interessen aufeinandertreffen, sonden Lernprozesse, aus denen neue Problemlösungen hervorgehen. Dabei entstehen Situationsdeutungen, auf deren Grundlage erst jene Interessen entstehen können, die in strategischen Beziehungen zum Ausdruck und – in den hier untersuchten Fällen – auch zum Ausgleich kommen. Dabei wird der Interessenausgleich grundsätzlich erleichtert, wenn die Beteiligten von gleichen Situationsdeutungen ausgehen (Scharpf 1979). Die Annäherung unterschiedlicher Lagebeurteilungen hängt vor allem davon ab, wie häufig und intensiv die mit einem bestimmten Problem befaßten Akteure zusammentreffen und sich über Lösungsmöglichkeiten verständigen. Die Netzwerke der Vereinigungspolitik (Czada 1993, 1994a, 1995) spielten in diesem Zusammenhang eine herausragende Rolle.

 
 

4.  Netzwerke der Vereinigungspolitik

 

Die Bedeutung vernetzter Handlungsstrukturen für den Umgang mit neuartigen Problemen wird am Wachstum des Treuhandkomplexes erkennbar. Zunächst war die mit der marktwirtschaftlichen Transformation der Planwirtschaft beauftragte Treuhandanstalt als eine von Außeneinflüssen weitgehend abgeschottete Zentralinstitution konzipiert worden. Für den Verwaltungsrat diente das Aufsichtsratsmodell der Aktiengesellschaft als Vorbild (Spoerr 1993: 9). Das Treuhandgesetz (§ 4) nennt weder Verbändevertreter noch eine Beteiligung der Länder, sondern nur ökonomischen Sachverstand als Berufungsmerkmal. Die Repräsentativfunktion des THA-Verwaltungsrates wurde bald durch die im Einigungsvertrag geregelte Länderbeteiligung, später durch die Berufung von vier Gewerkschaftsvertretern gestärkt (vgl. Czada 1993). Im Zuge der Öffnung gegenüber Ländern, sozialen Gruppen und Kommunalbehörden wurden im März 1991 auf Anordnung der Treuhandzentrale auch Beiräte bei den Niederlassungen eingerichtet. Sie dienten dazu, »den Einklang mit den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräften der Region herbeizuführen«.

Neben der Treuhandanstalt, den Kommunen und den neuen Ländern war vor allem die Regierungszentrale selbst, das Bundeskanzleramt mit seiner Aufbaugruppe-Ost, an informellen Problemlösungen beteiligt. Oft waren es Finanzierungskonzepte zur Rettung einzelner Unternehmen, die durch die Herstellung entsprechender Kontakte ad hoc zustande kamen. Die meisten Koordinationsgremien wurden nach Verabschiedung der zwischen Bund und Ländern vereinbarten »Grundsätze zur Zusammenarbeit von Bund, neuen Ländern und Treuhandanstalt für den Aufschwung Ost« vom 14. März 1991 (Grundsätze 1991) errichtet, so die Treuhand-Wirtschaftskabinette und die Treuhand-Monatsgespräche als Schnittstellen zwischen Ministerien der neuen Länder und der Treuhandanstalt (Czada 1993: 153). Zu diesen Koordinationsgremien gehörte auch die Ludewig-Runde. Sie tagte auf Einladung des Bundeskanzlers unter Vorsitz des wirtschaftspolitischen Kanzlerberaters und Sonderbeauftragten für den Aufbau Ost Johannes Ludewig erstmals am 13. Mai 1991 und daraufhin in mehrwöchigen, zuweilen auch kürzeren Abständen meist in der Berliner Außenstelle des Bundeskanzleramtes. Ihre Aufgabe war es, die Umsetzung der Beschlüsse zum Aufbau Ost, die in den ersten Monaten des Jahres 1991 gefallen waren, zu begleiten und wohl auch wechselseitig zu überwachen. Mit Beginn des Jahres 1992 diente die Zusammenkunft auch der Vorbereitung von regelmäßigen Gesprächen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin. Teilnehmer der Ludewig-Runde waren das Bundeskanzleramt, die Chefs der Staatskanzleien der neuen Bundesländer sowie der Generalbevollmächtigte der Treuhandanstalt. Hier wurden zum Beispiel die Vergabekriterien für Hermes-Bürgschaften und ein Konzept für das Vermögensänderungsgesetz erarbeitet. Die Treuhandanstalt hat auf diesem Wege, aber auch im direkten Kontakt mit dem Bundestag und einzelnen Bundesministerien Gesetzgebungsinitiativen mitgestaltet.

Die Aufbaugruppe im Bundeskanzleramt initiierte – ebenfalls unter Leitung von Johannes Ludewig – ab Herbst 1992 in Problemregionen der neuen Länder sogenannte Regionalgespräche, zu denen in Zusammenarbeit mit Industrie- und Handelskammern alle regionalwirtschaftlich relevanten Akteure eingeladen wurden. Dem Verwaltungsaufbau dienten weiterhin Kommunalkonferenzen, die abwechselnd von den Bundesministerien für Finanzen und Inneres für Landräte und Bürgermeister der neuen Bundesländer veranstaltet wurden und an denen auch die mit Fragen der Zuordnung von Kommunalvermögen betrauten Treuhandstellen teilnahmen. Es gibt für eine solche umfängliche Befassung der Bundesregierung mit Entwicklungsproblemen einzelner Regionen und Kommunen in der Geschichte der Bundesrepublik kein Vorbild.

Parallel wurden zentral, zum Beispiel in mehr als zwanzig informellen Kanzlergesprächen zum Aufbau Ost, neue Problemlösungen entwickelt. Hier wurden zahlreiche Maßnahmen für den Aufbau Ost in Grundzügen abgesprochen und je nach Sachthemen zwischen Bund, Ländern, Treuhandanstalt, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden vereinbart (Czada 1993; Treuhandanstalt 1995b: 587–603). Je enger und weitreichender diese Netzwerke – zumeist auf Initiative der Treuhandanstalt oder der Aufbaugruppe-Ost im Bonner Kanzleramt – geknüpft wurden, desto mehr wichen frühe Illusionen der Einigungspolitik einer realistischen Einschätzung. Problemlösungen ergaben sich im wechselseitigen Austausch der Beteiligten. Im Meinungsaustausch innerhalb bestehender und neu entstehender Kontaktnetzwerke konnten die Problemlagen besser zur Geltung kommen als aus der Warte einzelner Bearbeiter etwa in einer Treuhandabteilung oder im Finanzministerium, die zwangsläufig immer nur einen kleinen Problemausschnitt wahrnehmen konnten. Issue-spezifische Politiknetzwerke fungierten dabei oft nicht in erster Linie als Verhandlungsarenen. Vielmehr dienten sie dem Erfahrungsaustausch, der neue Situationsdeutungen und Präferenzanpassungen sowie stabile Verhaltenserwartungen bei den Beteiligten bewirken konnte und auf diese Weise neue Problemlösungen ermöglichte. Die Initiative zur Bildung interorganisatorischer Netzwerke ist regelmäßig von den Regierungszentralen in Bund und Ländern und von der Treuhandanstalt ausgegangen. Das maßgebliche Motiv, sich an solchen Koordinationsgremien konstruktiv zu beteiligen, resultierte aus der von Interdependenz und Unsicherheit geprägten Problemlage. Der Sinn der Verflechtung lag darin »alle Beteiligten gegen Überraschungen zu sichern« (Streeck 1987: 30) und dabei zugleich von Regierungsseite »ungewöhnliche Maßnahmen in einem konzertierten Zusammenwirken von Bund, neuen Ländern und Treuhandanstalt« einzuleiten.
 
 
 

5. Theoretische Prozeßanalyse

 

Gängige Entscheidungstheorien behandeln die Frage, wie sich einzelne Entscheidungsträger verhalten, wenn sich ihr Modell der Welt als falsch herausstellt (Heiner 1983; Cohen/Axelrod 1984; Vanberg 1993). Verändern sich in dieser Situation individuelle Handlungsprogramme, so sind damit nicht zugleich auch soziale Regelsysteme positiv angepaßt. Im Gegenteil: Individuelles Erfahrungslernen kann die Geltungskraft kollektiver Regeln vor allem in Umbruchsituationen leicht beschädigen. Insbesondere etablierte Kooperationsbeziehungen können in dieser Lage durch einseitige Lerneffekte belastet werden. Ungleiche Lernfortschritte beziehungsweise Anpassungserfolge einzelner Beteiligter führen zu »Wettbewerbsverzerrungen« im Akteurnetzwerk und schmälern so die Chancen gleicher beziehungsweise eingespielter Interessenberücksichtigung (vgl. Lütz 1993: 190–192). Die institutionelle Stabilität solcher Netzwerke und der Erfolg kooperativer politischer Problemlösungen hängen insofern von der Fähigkeit der maßgeblichen Akteure ab, gegebenenfalls auf rasche eigene Problemlösungen zu verzichten und stattdessen gemeinsam zu lernen, wie sie umfassenden Problemlagen, die alle Akteure eines Systems betreffen, adäquat begegnen können. Diese Fähigkeit scheint mit dem Schwierigkeitsgrad eines gemeinsamen Problems zuzunehmen, weil die Konfrontation mit gänzlich neuen Sachverhalten das Festhalten an herkömmlichen Handlungsprogrammen begünstigt und insofern eine aus Kalkulationsunsicherheit resultierende Verzögerung rascher Anpassungsreaktionen eintritt.

Heiner (1983) behandelt Situationen, in denen der Schwierigkeitsgrad neu auftretender Probleme die Kapazitäten eines einzelnen Akteurs zur Optimierung seines Handelns überschreitet. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer »Kompetenz-Schwierigkeitslücke« – einem Auseinanderfallen von Anforderung und Können, das ein Festhalten an vertrauten Handlungsprogrammen begünstigt. Entscheidungsunsicherheit und ambivalente Erfolgsbedingungen führen insofern zu vorhersagbarem, regelgebundenem, folglich auch sozial koordiniertem Verhalten. Damit ließe sich die anfängliche Orientierung der Vereinigungspolitik am Hergebrachten gut erklären. Das Theorem der »Kompetenz-Schwierigkeitslücke« erklärt indes nicht innovative Problemlösungen, durch die gegebenenfalls die Diskrepanz zwischen geringem Können und hoher Anforderung überwunden wird. Tatsächlich zeigt gerade die Vereinigungspolitik eine zunehmende Fähigkeit zur Erfassung der tatsächlichen Problemlagen und ebenso eine Erhöhung der kollektiven Handlungskapazität, die mit Modellen strategischer Interaktion nicht hinreichend erklärt werden können, weil sie mit erheblichen Umorientierungen und Präferenzanpassungen auf seiten maßgeblicher Akteure einhergeht. Wie müßte also ein Erklärungsmodell aussehen, das die in der Vereinigungspolitik beobachtbare Überwindung der Kompetenz-Schwierigkeitslücke erfassen kann?

Es gibt im Prinzip nur drei Möglichkeiten, auf unvorhergesehene Herausforderungen, wie sie die deutsche Vereinigung darstellt, zu reagieren. Die erste entspricht der entscheidungstheoretischen Lösung von Heiner (1983). Die Möglichkeiten 2 und 3 betreffen politische Problemlösungen und Regelanpassungen, die Lernprozesse bei den Beteiligten voraussetzen (vgl. Abbildung 1):
 
 

1. Regelbefolgung: Die einfachste und naheliegendste Antwort auf plötzliche Veränderungen der Problemumwelt besteht darin, an herkömmlichen Situationsdeutungen, politischen Instrumenten und Programmen festzuhalten. Die Institutionen bleiben dabei stabil und die Akteure berechenbar. Problemadäquate, innovative Problemlösungen würden freilich auf diese Weise behindert, wenn nicht gar unmöglich.

2. Individuelle Fehlerregulierung: Die direkt Beteiligten können versuchen, sich geradewegs und vereinzelt auf eine neue Problemlage einzustellen, um so rasche Lernerfolge und Anpassungsleistungen zu erzielen. Reagieren sie isoliert und unmittelbar auf veränderte Anforderungen ihrer Problemumwelt, droht allerdings der Verlust des institutionellen Gleichgewichts. Die Beziehungsmuster zwischen den politischen Akteuren würden vor allem dann gestört, wenn sie, wie im deutschen Bund-Länder-Verhältnis und in den Staat-Verbände-Beziehungen, traditionell von Kooperation getragen sind.

3. Institutionelles Transformationslernen: Die letzte Möglichkeit, die einer drohenden Interaktionskrise entgegenwirkt, besteht in der koordinierten Anpassung der betroffenen und bereichsspezifisch relevanten Akteure an eine neue Problemlage. Allerdings setzt dies den Verzicht auf eigenständige Problemlösungsversuche jedes einzelnen Akteurs zugunsten der Herausbildung neuer kollektiver Situationsdeutungen und gemeinsamer Problemlösungen voraus. Die maßgeblichen Akteure müßten in diesem Fall voreilige Entscheidungen meiden und so lange auf eine Optimierung ihrer eigenen Handlungsprogramme verzichten, bis ihnen gemeinschaftsverträgliche Alternativen vorliegen. Die Kosten dieses Vorgehens bestehen in Anpassungsverzögerungen für die jeweils Beteiligten und für das Gesamtsystem. Der Vorteil liegt in einem angesichts der Umbruchsituation größtmöglichen Erhalt der Integrität des Akteursystems – mit allen Folgen für dessen künftige kollektive Handlungsfähigkeit, die damit verbunden sind. Diese Art der Problembearbeitung, die Regelanpassungen aufgrund veränderter Situationsdeutungen einschließt, könnte als institutionelles Lernen bezeichnet werden. Es setzt eine hinreichende Integrität des Akteursystems voraus, weil bei unverbundenen Lernprozessen die Regelbildung erschwert und das Akteursystem gefährdet würde.
 
 
 

 In der Vereinigungspolitik ist jede der genannten Reaktionsmöglichkeiten festzustellen. Frühe Regelwerke, der Staatsvertrag zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion und der Einigungsvertrag sind ebenso wie das im März 1991 konzipierte ›Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost‹ der zuerst genannten, am Hergebrachten orientierten und daher ohne Zeitverzögerung realisierbaren Handlungsalternative zuzuordnen. Ähnliche Reaktionen finden sich dort, wo das Interesse an der unveränderten Übertragung westdeutscher Strukturen auf die neuen Bundesländer nicht auf mächtige Gegeninteressen stieß und bei allen maßgeblichen Beteiligten so groß war, daß allein dadurch jede mögliche Reform verhindert wurde – zum Beispiel im Bereich der Hochschulpolitik und der außeruniversitären Forschung (Mayntz 1994a, 1994b).

Abweichungen vom westdeutschen Standard finden sich demgegenüber etwa in der Elektrizitätswirtschaft, wo westdeutsche Großkonzerne noch vor der staatsrechtlichen Vereinigung unter Ausnutzung einer Zwangslage, in der sich die beiden Regierungen in Bonn und Berlin befunden hatten, eigene Vorstellungen der Reorganisation des ostdeutschen Energiesektors realisieren konnten. Versuche, die Vereinigung interessenpolitisch auszunutzen, gab es allerdings auch in anderen Politikfeldern, etwa bei einigen Krankenkassen in der Gesundheitspolitik (Manow 1994) oder bei den Arbeitgebern in der Tarifpolitik (Lehmbruch 1994; Ettl/Wiesenthal 1994). Eigenständige Problemlösungen sind besonders häufig vor Ort, auf der operativen Ebene des Vereinigungsmanagements, anzutreffen.

Die dritte Variante der verzögerten und abgestimmten Anpassungsreaktion findet sich in vielen staatsnahen Sektoren, insbesondere an der Schnittstelle von Staat und Wirtschaft, in der föderalen Politikverflechtung und im Umfeld der Treuhandanstalt. Zum Teil wurden zeitlich gestufte Entscheidungsprozesse und Anpassungen in der Einigungsgesetzgebung festgeschrieben, wie zum Beispiel in der Sozialpolitik oder in Fragen des föderalen Finanzausgleichs. Verzögerte Anpassungen sind vor allem auch dort zu beobachten, wo das Programm des Institutionentransfers an den tatsächlichen Problemen zu scheitern drohte oder wo anfängliche Versuche, aus gegebenen Ordnungsstrukturen auszubrechen, fehlgeschlagen waren. Solche Abfolgen resultieren aus Zwangslagen, in denen die am Status quo orientierte Reaktionsvariante eine Performanzkrise und das aus partikularen Lernprozessen folgende Anpassungshandeln eine Interaktionskrise verursacht hätten.

Das spezifisch Politische an dieser Konstellation ist die wechselseitige Abstimmung anstelle der Adaption einzelner an eine veränderte Problemumwelt. Diese Art des Umgangs mit neuen Problemen ist nun aber keineswegs die naheliegendste, quasinatürliche Reaktion, sondern ein institutionell höchst voraussetzungsvoller Vorgang, der zudem politische Autorität verlangt. Wenn erfolgreiches Maximieren aufgrund turbulenter Problemumwelten nicht möglich ist, entstehen angepaßte Problemlösungen entweder durch Zufall oder durch bewußte Fehlerregulierung in einem Verfahren von Versuch und Irrtum. Wollte man darauf vertrauen, daß alle mit einer Herausforderung konfrontierten Akteure unverbunden, jeder für sich auf diese Weise lernten, würde nicht nur die Lösung politischer Probleme lange auf sich warten lassen; ebenso würde ein Prozeß der Dissoziation im Akteursystem einsetzen, und es würden inkompatible lokale Innovationen auf Dauer vorherrschen. Eine solche Entwicklung zu verhindern kann als zentrale, ordnungsstiftende Aufgabe der Politik und ihrer Institutionen gelten; sie ist noch wichtiger als die Aufgabe, sachlich beste Lösungen zu finden und geradewegs durchzusetzen.

 
 

6. Bedingungen für kooperative Lernprozesse

 

Funktionale Bestandserfordernisse und normative Zielbestimmungen im politischen Akteursystem können nicht hinreichend erklären, warum es in der deutschen Vereinigungspolitik zu der geschilderten Phasenabfolge und insbesondere zu kooperativen Lernprozessen gekommen ist. Hier sind eine Reihe situativer und institutioneller Bedingungen entscheidend, die Motivation und Handlungskorridore der beteiligten Akteure steuerten und bei deren Abwesenheit ganz andere Prozeßverläufe zu erwarten gewesen wären. Die Möglichkeiten alternativer Entwicklungspfade reichen von der Unterdrückung jeder Neuerung durch eine Zentralgewalt bis zur wechselseitigen Blockade der zahlreichen Akteure im Vereinigungsprozeß; aber auch Reformen von oben wären eine denkbare Alternative gewesen, ebenso wie gänzlich unkoordinierte Mikro-Makro-Prozesse, die einen ganz neuen Entwicklungspfad bedeutet hätten. Es wäre also zu erklären, warum es nicht zu diesen, sondern zu den geschilderten kooperativen Lernprozessen kommen mußte.

Die Transformation einzelner Handlungen in kollektive Phänomene, das heißt die Erreichung und Stabilisierung von Gleichgewichtslösungen im Akteursystem, sind situativ und institutionell geprägt (vgl. die einleitenden Beiträge von Mayntz und Scharpf, Kapitel 1 und 2 in diesem Band). Nur wenn man die Dynamik der Situation in Rechnung stellt und zugleich die Wirkung institutioneller Bindekräfte berücksichtigt, wird der Verlauf der Vereinigungspolitik verständlich.

Situative Anpassung und der Erhalt berechenbarer Akteurbeziehungen bilden nur dann einen Gegensatz, wenn turbulente Problemumwelten vorliegen. Unter gleichbleibenden Umweltbedingungen oder bei bekannten Problemstrukturen ist dagegen Anpassungslernen keine Herausforderung, die sich den Akteuren stellen würde. Dann sind erprobte Handlungsprogramme und Verhandlungen prinzipiell geeignet, Probleme entweder routinemäßig abzuarbeiten oder aber eine kalkulatorische Neuverteilung von Kosten und Nutzen anzustreben. Veränderungen im Akteursystem sind dann allein davon abhängig, ob die Akteure mit einer weitgehend bekannten Situation zufrieden sind oder aber ihre Verteilungsposition verbessern wollen.

Erst wenn exogener Anpassungsdruck eintritt und aufgrund turbulenter Problemumwelten die Unsicherheit über Handlungsfolgen so groß wird, daß Übertragungshandeln ebenso wie kalkulierte Interaktion zur Lotterie wird und insofern sinnlos erscheinen muß, sind diese gängigen Handlungsmodelle erschüttert. Akteure tendieren unter Unsicherheit regelmäßig zu »Loci (oder Institutionen), die Sinn vermitteln können oder neu entstehen lassen« (Sica 1988: 264). Die Politik der deutschen Einigung deutet von Beginn an darauf hin, daß die maßgeblichen westdeutschen Akteure den Erhalt des Akteursystems sehr hoch bewertet haben und dafür Mängel in der sachlichen Problembewältigung bewußt in Kauf nahmen. Sie intensivierten den Informationsaustausch und zeigten generell große Anstrengungen, ihre Reputation und Glaubwürdigkeit zu erhalten.

Die Vereinigungspolitik läßt vermuten, daß die Variante des kooperativen Lernens vor allem dann wahrscheinlich wird, wenn die sachliche Unsicherheit im Akteursystem ansteigt und in etwa gleich verteilt ist, also gemeinsames Nichtwissen über künftige Entwicklungen vorliegt, wenn zudem der Erfolgsdruck für alle Beteiligten sehr groß ist und außerdem die Beziehungen der maßgeblichen Akteure von starker Interdependenz geprägt sowie herkömmlich kooperativ sind. Die Wechselbeziehung von sachlicher Unsicherheit in der Problemumwelt und strategischer Unsicherheit im Akteursystem ist hier entscheidend. Unter dem Eindruck »grenzenloser Überforderung« und wechselseitiger Abhängigkeit erlebten die Beteiligten den marktwirtschaftlichen Aufbau Ost als einen Kampf an zwei Fronten. Um gegen die von irreduziblen Risiken beherrschte dynamische Natur der ökonomischen Prozesse bestehen zu können, schufen sich die maßgeblichen Akteure Entlastung, indem sie ihre strategische Unsicherheit durch die Schaffung und Erhaltung kooperationsfreundlicher Strukturen – Netzwerken der Vereinigungs- und Tranformationspolitik – begrenzten.

Daraus ließe sich – in spieltheoretischer Sprache – die generelle Hypothese einer Drift zur Kooperation in verbundenen Spielen ableiten, die zugleich gegen die ›Natur‹ und andere ›Spieler‹ gespielt werden. Wenn es in dieser Weise individuell rational ist, berechenbare Akteurbeziehungen und bewährte Regelsysteme in einer von sachlicher Unsicherheit begleiteten Umbruchsituation zu bewahren, dann wäre die in der Politikwissenschaft und darüber hinaus gängige Erklärung von Beharrung als Folge institutioneller Restriktion zu relativieren. Die Folgerung müßte lauten, daß Reformunfähigkeit nicht nur durch institutionelle Trägheit oder interessenpolitische Blockaden verursacht wird, sondern ebenso durch einen in Umbruchsituationen verstärkten Zwang zum Konsens in informellen Beziehungsstrukturen und einem gleichzeitigen gemeinsamen Interesse am weitestmöglichen Erhalt der bestehenden Formalordnung. Eine von rationalem Handeln ausgehende Erklärung von institutioneller Trägheit gewinnt zusätzliche Plausibilität, wenn ein Eigeninteresse am Identitätserhalt unterstellt wird. Sofern dieses in einem verflochtenen Entscheidungssystem verbreitet ist, bleibt mit der eigenen auch die Identität der übrigen Beteiligten erhalten. Es sind demnach die Sicherheit und die nach subjektiver Einschätzung guten Erfahrungen mit dem Bestehenden gegenüber unsicheren »Veränderungskosten«, die institutionelle Stabilität bewirken (Mayntz 1994a; vgl. Heiner 1983; Hechter 1987).

Der Verzicht auf institutionelle Reformen erschwert, wie die Analyse der Vereinigungspolitik zeigt, nicht grundsätzlich den Umgang mit sachlicher Unsicherheit – besonders wenn ein gegebenes Institutionensystem ausreichende Anpassungsreserven beziehungsweise ›organizational slack‹ und verflechtungsbedingte Konsenszwänge sowie Möglichkeiten informeller Koordination aufweist (Czada 1994a, 1995; Genschel 1995; vgl. den Beitrag von Genschel, Kapitel 8 in diesem Band). Die Behauptung, die deutsche Politik sei nur begrenzt handlungsfähig, wird oft mit institutionellen Restriktionen beziehungsweise strukturellen Vetopositionen begründet (Mayntz/Scharpf 1975; Katzenstein 1987; Lehmbruch et. al. 1988; Scharpf 1985). Dies sind gewiß wesentliche, aber nicht die einzig möglichen Ursachen von Reformstaus. Die Unterstützung, welche bestehende Verhältnisse trotz allfälliger Mängel nicht selten erfahren, kann – insbesondere wenn ungewöhnliche Herausforderungen auftreten – von einem rationalen Kalkül zugunsten einer sicheren Situationsbeherrschung bestimmt sein. Dabei ist theoretisch bedeutsam, daß die drei genannten Möglichkeiten des Umgangs mit neu auftretenden Problemlagen – Regelorientierung, unmittelbares Anpassungshandeln und Transformationslernen – ein Spannungsverhältnis bilden, das die betroffenen Akteure als konkretes Auswahlproblem mehr oder weniger bewußt erfahren und schließlich auch bewältigen müssen. Wie sich ihnen dieses Problem darstellt, und wie sie gemeinsam damit umgehen, ist weitgehend institutionell vorgeprägt.

Die dem politikverflochtenen und korporatistischen System der Bundesrepublik eigene Informalität politischer Entscheidungen (Schulze-Fielitz 1984) verbindet sich in der Vereinigungspolitik mit einem nahezu übermächtigen Konsenszwang. Wo interdependente Akteure notwendige Anpassungen an eine veränderte Problemumwelt nicht durch rasche Regeländerung erreichen können, wird der institutionell angelegte Zwang zur Informalität situativ verstärkt. Im Gegensatz zu formal geregelten Verfahren bedeutet er für die Beteiligten zudem ein hohes an Maß wechselseitiger Erpreßbarkeit, wodurch der aus dem gemeinsamen Problemdruck erwachsende Zwang zum Konsens weiter gesteigert wird. Schließlich ist es genau dieser Zwang, der die Einigung auf neue Regeln erleichtert. Aufgrund des hohen Konsensbedarfs informeller Entscheidungen sind freilich solche Regelanpassungen nicht größer, als es jedem einzelnen der Beteiligten unbedingt notwendig erscheint, um ein gemeinsames Problem zu lösen.

Das gemeinsame Lernen in Netzwerken bewirkt nicht, daß die beteiligten Akteure gegen ihre Interessen handeln, indem sie etwa ihre eigenen Anliegen einem Systeminteresse unterordnen. Es bewirkt, daß sie ihre Probleme gemeinsam anders deuten und insofern zu neuen Lösungen vorstoßen können, die ex ante keinem der Beteiligten bewußt waren. Die so erzielte Optionserweiterung in gemeinsamer Auseinandersetzung mit Sachproblemen unterstützt zugleich den Zusammenhalt und die Kooperationsbereitschaft. Dabei werden Blockadetendenzen um so mehr abgeschwächt, je drängender und unwägbarer die zu lösenden Sachprobleme sind. Turbulente Problemumwelten und Prognoseunsicherheit erscheinen insofern durchaus geeignet, die politische Handlungskapazität zu steigern; freilich nicht im Sinne erhöhter Chancen für grundlegende Reformen, sondern zugunsten verbesserter Situationsbeherrschung, die im Kern auf den größtmöglichen Erhalt des Status quo abzielt. Auch begrenzte Anpassungsschritte im Gefolge von Lernprozessen scheinen letztlich auf dieses Ziel ausgerichtet. Gleichwohl können selbst aus marginalen Neuerungen folgenreiche neue Handlungsmöglichkeiten ebenso wie erweiterte Anpassungszwänge erwachsen.

Das Bemerkenswerte am Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost, am Stromstreit und an der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind nicht die kleinen Abweichungen vom Üblichen und die Zugeständnisse, die sich die Beteiligten angesichts drängender Sachprobleme abrangen. Nachhaltiger sind die Lerneffekte und unintendierten Folgen kleiner Anpassungsschritte. Die vernetzten Entscheidungsstrukuren des informellen Vereinigungsmanagements bildeten einen guten Nährboden für lokale Innovationen, die auf die formale Ebene des Regierungssystems zurückwirkten. Die Erwartung einer gezielten und richtungsstabilen, politisch gesteuerten Systemtransformation mußte aus diesen Gründen notwendig enttäuscht werden; ebenso die Vorstellung, die deutsche Einheit bedeute lediglich eine Gebietserweiterung, die im Westen alles beim alten ließe. Statt dessen begaben sich die Handelnden auf einen ›Schleichweg‹, auf dem sich neue Problemlösungen und Regeln nur langsam und oft im Verborgenen abzeichneten, und dessen Verlauf nicht zu einem festen Ziel führt, sondern in einen neuen Möglichkeitsraum, der sich ohne die Umbruchsituation und Herausforderungen der Vereinigungspolitik nie eröffnet hätte. Die Vereinigungspolitiker haben sich diesen Möglichkeitsraum nicht bewußt erschlossen. Ihre Lernleistung bestand vielmehr darin, das Unmögliche vom Möglichen zu unterscheiden und ihr praktisches Handeln danach auszurichten. Die Politik der deutschen Vereinigung bestand über Jahre hinweg vor allem aus Desillusionierung, der Erfahrung dessen, was nicht möglich ist. Vieles spricht dafür, daß hier der wesentliche Anreiz für Kooperation zu suchen ist: in der wachsenden Angst vor dem Scheitern.

 
 

Literatur

 

Argyris, Chris, 1990: Overcoming Organizational Defenses. Boston: Allyn & Bacon.

Benz, Arthur, 1994: Kooperative Verwaltung. Funktionen, Voraussetzungen und Folgen. Baden-Baden: Nomos.

Beyme, Klaus von, 1994: Verfehlte Vereinigung – verpaßte Reformen? Zur Problematik der Evaluation der Vereinigungspolitik in Deutschland seit 1989. In: Journal für Sozialforschung 34, 249–269.

Bluhm, Katharina, 1995: Arbeitsorientierungen im Umbruch. In: Dietmar Dathe (Hrsg.), Wege aus der Krise der Arbeitsgesellschaft. Beiträge der 4. Tagung »Sozialunion in Deutschland«. Berlin: GSFP.

Bundesregierung, 1991: Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost. Bonn: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.

Cohen, Michael/Robert Axelrod, 1984: Coping with Complexity: The Adaptive Value of Changing Utility. In: American Economic Review 74, 30–42.

Cyert, Richard, M./James G. March, 1963: A Behavioral Theory of the Firm. Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall.

Czada, Roland, 1993: Die Treuhandanstalt im Umfeld von Politik und Verbänden. In: Wolfram Fischer et al. (Hrsg.), Treuhandanstalt. Das Unmögliche wagen. Berlin: Akademie-Verlag, 148–173.

———, 1994a: Schleichweg in die »Dritte Republik«. Politik der Vereinigung und politischer Wandel in Deutschland. In: Politische Vierteljahresschrift 35, 245–270.

———, 1994b: »Üblichkeitsprinzip« und situativer Handlungsdruck. In: Klaus König/Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Vermögenszuordnung. Aufgabentransformation in den neuen Bundesländern. Baden-Baden: Nomos, 153–174.

———, 1995: Der Kampf um die Finanzierung der deutschen Einheit. MPIFG Discussion Paper 95/1. Köln: MPI für Gesellschaftsforschung.

Derlien, Hans-Ulrich (Hrsg.), 1993: Programm »Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost« – Planung, Vollzug, Evaluation. Werkstattbericht. München: Gesellschaft für Programmforschung in der Öffentlichen Verwaltung e.V.

Ellwein, Thomas, 1992: Norm, Normalität und das Anormale: Entwurf einer Problem- und Forschungsskizze. In: Arthur Benz/Wolfgang Seibel, Zwischen Kooperation und Korruption: Abweichendes Verhalten in der Verwaltung. Baden-Baden: Nomos, 19–30.

Eggert, Heinz, 1994: Die Entwicklung der Verwaltung in den neuen Ländern. In: Hermann Hill (Hrsg.), Erfolg im Osten III. Baden-Baden: Nomos, 17–31.

Ettl, Wilfried, 1995: Arbeitgeberverbände als Transformationsakteure: Organisationsentwicklung und Tarifpolitik im Dilemma von Funktionalität und Repräsentativität. In: Helmut Wiesenthal (Hrsg.), Einheit als Interessenpolitik. Studien zur sektoralen Transformation Ostdeutschlands. Frankfurt a.M.: Campus, 34–94.

Ettl, Wilfried/Helmut Wiesenthal, 1994: Tarifautonomie in De-industrialisiertem Gelände: Report und Analyse eines Institutionentransfers im Prozeß der deutschen Einheit. Arbeitspapiere AG TRAP 94/2. Berlin: Arbeitsgruppe Transformationsprozesse in den neuen Bundesländern (Max-Planck-Gesellschaft).

Genschel, Philipp, 1995: The Dynamics of Inertia: Institutional Persistence and Institutional Change in Telecommunications and Health Care. MPIFG Discussion Paper 95/3. Köln: MPI für Gesellschaftsforschung.

Grundsätze zur Zusammenarbeit von Bund, neuen Ländern und Treuhandanstalt für den Aufschwung Ost, 1991: In: Treuhandanstalt Informationen 1, 11.

Hasselsweiler, Ekkehardt, 1981: Der Vermittlungsausschuß. Verfassungsgrundlagen und Staatspraxis. Berlin: Duncker & Humblodt.

Hechter, Michael, 1987: Principles of Group Solidarity. Berkeley: University of California Press.

Heiner, Ronald A., 1983: The Origin of Predictable Behavior. In: American Economic Review 73, 560–595.

Kartte, Wolfgang, 1990: Ein erträglicher Kompromiß? In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 40, 838 ff.

Katzenstein, Peter, 1987: Politics and Policy in West Germany. The Growth of a Semisovereign State. Philadelphia: Temple Press.

König, Klaus/Jan Heimann, 1994: Vermögenszuordnung im Aufgabenzuschnitt des öffentlichen Sektors der neuen Bundesländer. Speyerer Forschungsberichte 133. Speyer: Hochschule für Verwaltungswissenschaften.

Lehmbruch, Gerhard, 1990: Die improvisierte Vereinigung. Die dritte deutsche Republik. In: Leviathan 18, 462–486.

———, 1992: Die deutsche Vereinigung. Strukturen der Politikentwicklung und strategische Anpassungsprozesse. In: Beate Kohler-Koch (Hrsg.), Staat und Demokratie in Europa. Opladen: Leske + Budrich, 22–46.

———, 1993: Institutionentransfer: Zur politischen Logik der Verwaltungsintegration in Deutschland. In: Wolfgang Seibel et al. (Hrsg.), Verwaltungsreform und Verwaltungspolitik im Prozeß der deutschen Einigung. Baden-Baden: Nomos, 41–66.

———, 1994: Dilemmata verbandlicher Einflußlogik im Prozeß der deutschen Vereinigung. In: Wolfgang Streeck (Hrsg.), Verbände und Staat. Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 25. Opladen: Westdeutscher Verlag, 370–392.

Lehmbruch, Gerhard et al., 1988: Institutionelle Bedingungen ordnungspolitischen Strategiewechsels im internationalen Vergleich. In: Manfred G. Schmidt, Staatstätigkeit. International und historisch vergleichende Analysen. Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 19. Opladen: Westdeutscher Verlag, 251–283.

Lütz, Susanne, 1993: Die Steuerung industrieller Forschungskooperation. Frankfurt a.M.: Campus.

Mäding, Heinrich, 1993: Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost. Programm ohne Programmierung? In: Hans-Ulrich Derlien (Hrsg.), Programm »Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost« – Planung, Vollzug, Evaluation. Werkstattbericht. München: Gesellschaft für Programmforschung in der Öffentlichen Verwaltung e.V., 5–16.

Manow, Philip, 1994: Gesundheitspolitik im Einigungsprozeß. Frankfurt a.M.: Campus.

March, James G./Johan P. Olsen, 1988: The uncertainty of the past: organizational learning under ambiguity. In: James G. March, Decisions and Organizations. Oxford: Blackwell, 335–358.

Mayntz, Renate, 1994a: Deutsche Forschung im Einigungsprozeß: Die Transformation der Akademie der Wissenschaften der DDR 1989 bis 1992. Frankfurt a.M.: Campus.

——— (Hrsg.), 1994b: Aufbruch und Reform von oben: ostdeutsche Universitäten im Transformationsprozeß. Frankfurt a.M.: Campus.

Mayntz, Renate/Fritz W. Scharpf (Hrsg.), 1973: Planungsorganisation. Die Diskussion um die Reform von Regierung und Verwaltung des Bundes. München: Piper.

———, 1975: Policy Making in the German Federal Bureaucracy. Amsterdam: Elsevier.

Oel, Hans-Ulrich, 1994: Regionale Aufbaustäbe – konzertierte Aktion zur regionalen Entwicklung. In: Hermann Hill (Hrsg.), Erfolg im Osten III. Nomos: Baden-Baden, 61–68.

Offe, Claus, 1976: Berufsbildungsreform. Eine Fallstudie über Reformpolitik. Frankfurt a.M.: Campus.

Richter, Martin, 1995: Sektorale Transformationsprozesse der ostdeutschen Ökonomie am Beispiel des Umbaus von Strom- und Gaswirtschaft. In: Roland Czada/Gerhard Lehmbruch (Hrsg.), Sektorale Transformationsprozesse. Frankfurt a.M.: Campus (im Erscheinen).

Scharpf, Fritz W., 1979: Die Rolle des Staates im westlichen Wirtschaftssystem: Zwischen Krise und Neuorientierung. In: Verein für Socialpolitik (Hrsg.), Staat und Wirtschaft. Berlin: Duncker & Humblot, 15–44.

———, 1985: Die Politikverflechtungsfalle: Europäische Integration und deutscher Föderalismus im Vergleich. In: Politische Vierteljahresschrift 26, 323–356.

Scharpf, Fritz, W./Bernd Reissert/Fritz Schnabel, 1976: Politikverflechtung. Theorie und Empirie des kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik. Kronberg/Ts.: Skriptor.

Schäuble, Wolfgang, 1991: Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt.

Schimank, Uwe/Andreas Stucke (Hrsg.), 1994: Coping with Trouble: How Science Reacts to Political Disturbances of Research Conditions. Frankfurt a.M.: Campus/New York: St. Martin's Press.

Schmidt, Helmut, 1993: Handeln für Deutschland. Wege aus der Krise. Berlin: rororo.

Schneider, Volker, 1986: Tauschnetzwerke in der Politikentwicklung. Chemikalienkontrolle in der OECD, EG und der Bundesrepublik Deutschland. In: Journal für Sozialforschung 26, 383–514.

Schulze-Fielitz, Helmuth, 1984: Der informale Verfassungsstaat. Aktuelle Betrachtungen des Verfassungslebens der Bundesrepublik Deutschland im Lichte der Verfassungstheorie. Berlin: Duncker & Humblot.

Sica, Alan, 1988: Weber, Irrationality, and Social Order. Berkeley: University of California Press.

Spoerr, Wolfgang, 1993: Treuhandanstalt und Treuhandunternehmen zwischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Gesellschaftsrecht. Köln: Verlag Kommunikationsforum.

Streeck, Wolfgang, 1987: Vielfalt und Interdependenz. Probleme intermediärer Organisationen in sich ändernden Umwelten. Discussion Paper IIM/LMP 87–3. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Treuhandanstalt (Hrsg.), 1995a: Treuhandanstalt – Dokumentation 1990–1994. Bd. 2. Berlin: Treuhandanstalt.

Treuhandanstalt (Hrsg.), 1995b: Treuhandanstalt – Dokumentation 1990–1994. Bd. 11. Berlin: Treuhandanstalt.

Vanberg, Viktor J., 1993: Rational Choice vs. Adaptive Rule-following: On the Behavioral Foundations of the Social Sciences. In: Philipp Herder-Dorneich et al. (Hrsg.), Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie. Tübingen: Mohr, 93–110.

Wasem, Jürgen, 1994: Vom staatlichen zum kassenärztlichen System: Eine Untersuchung zur Dynamik des Transformationsprozesses der ambulanten ärztlichen Versorgung in Ostdeutschland. Manuskript. Köln: MPI für Gesellschaftsforschung.

Webber, Douglas, 1994: The decline and resurgence of the »German Model«: the Treuhandanstalt and privatization politics in East Germany. In: Journal of European Public Policy 1, 151–175.

Wiesenthal, Helmut (Hrsg.), 1995: Einheit als Interessenpolitik. Studien zur sektoralen Transformation Ostdeutschlands. Frankfurt a.M.: Campus.