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Die Privatisierung der DDR-Wirtschaft erbrachte bis 1994 nur knapp 30 Mrd. DM - dies bei Schulden allein der Treuhandanstalt von mehr als 250 Mrd. DM [Fußnote 25]. Sie wurden zusammen mit weiteren einigungs bedingten Verbindlichkeiten zum 1. Januar 1995 einem "Erblastentilgungsfonds" im Umfang von 420 Mrd. DM zugeschlagen, mit dessen Ausgleich erst in 30 Jahren gerechnet wird [Fußnote 26]. Die Treuhandanstalt wurde mit Ausnahme der Privatisierungserlöse bis zu ihrer Überführung in Nachfolgegesellschaften vollständig aus Krediten finanziert. Die Mittel wurden überwiegend direkt am Kapitalmarkt aufgenommen. Bankkredite machten nur einen kleinen Teil aus.
Im September 1990 mußte sie kurzfristig 2,5 Milliarden DM beschaffen, um die ersten auf DM lautenden Quartalszinsen für die Altkredite ihrer Unternehmen bedienen zu können. Damals, noch zu DDR-Zeiten, war die Übernahme der Anstaltslast ungeklärt. Die deutschen Banken begegneten dem Wunsch der Treuhandanstalt sehr zurückhaltend, diese Kredite bereitzustellen, weil die Bundesrepublik zu diesem zeitpunkt die Anstaltslast noch nicht übernommen hatte. Nach der staatsrechtlichen Vereinigung, als der Bund als Schuldner eintrat, war der Treuhandanstalt ein direkter Weg zum Geld- und Kapitalmarkt geöffnet. Sie hat daraufhin ihre Kreditfinanzierung auf eigenständiger Basis zunächst über revolvierende Geldmarktinstrumente bestritten; d.h. es wurde ein von kurzfristigen Verbindlichkeiten bestimmtes Kreditsystem aufgebaut, das es täglich erlaubte, fällige Kredite abzulösen. So konnten vor allem teuere Zwischenanlageverluste vermieden werden. Das Konzept einschließlich der entsprechenden Rechnerprogramme hatte der Direktor Finanzen, Dr. Paul Hadrys, kurzfristig von der Deutschen Airbus GmbH, München, mitgebracht, wo es über 10 Jahre hinweg entwickelt und erprobt wurde. Darüber hinaus hat die Treuhandanstalt als erste öffentliche Adresse ein Commercial-Paper-Programm eingeführt, mit dem sie sehr schnell "bench mark" in dieser Sparte wurde. Durch ihr frühes und umfangreiches Engagement hat sie sogar dem DM-Commercial-Paper, einer erst 1991 in Deutschland eingeführten Form der kurzfristigen Schuldverschreibung auf Diskontbasis, zum Durchbruch verholfen.
Die mit diesen Instrumenten mobilisierten Mittel reichten allerdings zum Ende 1991 nicht mehr aus; die Treuhandanstalt mußte mit eigenen Anleihen an den Kapitalmarkt gehen, und zwar prospektfrei, weil die börsenrechtlich erforderlichen drei guten Bilanzen in diesem besonderen Fall nicht vorgelegt werden konnten. Verhandlungen mit der Frankfurter Wertpapierbörse führten nicht zu einer von der Treuhandanstalt angestrebten Ausnahmeregelung. Erst das am 3. Juli 1992 in Kraft gesetzte Treuhandkreditaufnahmegesetz hat, indem es die Treuhandanstalt als Schuldner dem Bund gleichstellt, die prospektfreie Zulassung zum Wertpapierhandel ermöglicht. Da sie aber - um den deutschen Kapitalmarkt zu schonen - ihre künftigen Anleihen im Ausland, möglichst bei großen institutionellen Anlegern plazieren wollte, betrieb das Finanzressort die Aufnahme in die Bonitätslisten internationaler rating-Agenturen. Die Treuhandanstalt erhielt die beste Bonitätsstufe AAA. Auf dieser Grundlage hat sie den nationalen und internationalen Markt für die Begebung von mittel- und langfristigen Obligationen und Anleihen vorbereitet. Die Treuhand-Präsidentin, Birgit Breuel, präsentierte im Herbst 1992 das "Unternehmen" an den wichtigsten internationalen Finanzplätzen mit dem Erfolg, daß Treuhandanleihen um die 40 Prozent und mit steigender Tendenz im Ausland plazieren werden konnten. Da die Emission von Anleihen und Obligationen, die unter Einschaltung des Bundesanleihekonsortiums erfolgen, stand die THA-Abteilung Finanzen sowohl mit den entsprechenden Stellen des Bundesfinanzministeriums, als auch mit der Bundesbank in täglichem Kontakt.[Fußnote 27] Das Finanzressort erfreute sich sowohl innerhalb der Treuhandanstalt als auch in seinen Außenbeziehungen gleichbleibend hoher Unabhängigkeit. Während in einer Umfrage 65,3 Prozent aller Mitarbeiter über zunehmende äußere Restriktionen klagten, waren es im Finanzressort nur 28,5 Prozent [Fußnote 28].
25. Priewe, Jan: Die Folgen der schnellen Privatisierung der Treuhandanstalt. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 43-44/94 (28. Oktober 1994), 21-30 (24).
26. Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung 1993, 15. Die Einrichtung des Erblastentilgungsfonds ist Bestandteil des Föderalen Konsolidierungsprogrammes, vgl. "Gesetz über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands zur langfristigen Sicherung des Aufbaues in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte" vom 26. Juni 1993 (BGBl I 933).
27. Interview mit Dr. Paul Hadrys am 6.April 1993.
28. Nach einer Umfrage, die Wolfgang Seibel und der Verfasser im Juni 1993 in der Treuhandanstalt unternommen haben. Adressaten waren die Grundgesamt von 57 Direktoren und 172 Abteilungsleiter sowie eine Zufallstichprobe von 170 Referenten. Rücklaufquoten: Direktoren 45,6 Prozent, Abteilungsleiter 34,4 Prozent, Referenten 61,7 Prozent.