Erschienen in: Schubert, Klaus (Hrsg.): Leistungen und Grenzen politisch-ökonomischer Theorie. Eine kritische Bestandsaufnahme zu Mancur Olson, Darmstadt 1992, S. 57-78. |
Roland Czada
Interessengruppen, Eigennutz und Institutionenbildung
Zur politischen Logik kollektiven Handelns
Mancur Olson (1965, 1982) zeigt, wie aus einem
"Naturzustand" freien Gruppenhandelns gesellschaftliche Vermachtung und die
institutionelle Verfestigung von Verteilungsrelationen entsteht. Seine Argumentation
basiert auf einer ökonomischen Theorie rationalen Handelns. Das Ausgangsproblem besteht
darin, daß selbst bei der Annahme vollkommen identischer Interessen, etwa an der
Errichtung und Einhaltung einer politischen Ordnung, die Rationalität von
Gemeinschaftshandeln begrenzt bleibt. Opportunistisches Verhalten und Probleme der
Verpflichtung einzelner Akteure zur Kostenbeteiligung oder Befolgung von Regeln erschweren
die Organisation gemeinsamer Interessen, deren Realisierung allen zugute kommt. Warum
sollte ein rationales Individuum Kosten für ein öffentliches Gut aufwenden, das auch
ohne seinen Beitrag bereitgestellt wird?
Das hier angesprochene Kollektivgutproblem ist nur lösbar durch Institutionalisierung. Formale Organisation und soziale Regelsysteme enthalten positive Handlungsanreize oder Sanktionsdrohungen, die generell Verhalten stabilisieren und opportunistisches "Trittbrettfahren" begrenzen. Gleichzeitig gilt aber das Kollektivgutproblem gerade auch für die Entstehung und Aufrechterhaltung politischer Ordnungen. Es ist für Individuen nicht rational sich freiwillig sozialen Regelsystemen zu unterwerfen, deren Einhaltung durch andere nicht garantiert ist. Und selbst unter den Bedingungen legitimer Herrschaft verlangt die kollektive Schutzfunktion sozialer Ordnungen vom Einzelnen Fügsamkeit; Unterordnung unter Regeln, die zu umgehen oft individuellen Nutzenvorteil verspricht.
Das "Trittbrettfahrer-Problem" großer Verbände bedeutet, daß es umso schwieriger ist gesellschaftliche Interessen zu organisieren, je allgemeiner und umfassender diese Interessen sind. Das Problem der Verteilung von Kosten und Erträgen wird für politisches Gemeinschaftshandeln umso drängender, je mehr Individuen mit einem kollektiven Ziel übereinstimmen. Teilen dagegen nur wenige ein gemeinsames Interesse, wird seine Verwirklichung vom Beitrag eines jeden Gruppenmitglieds abhängig. Kleine Gruppen sind leichter organisierbar. Dies gezeigt zu haben ist ein Verdienst der Public-Choice-Theorie, insbesondere von Beiträgen zum kollektiven Handeln, wie sie mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung insbesondere von Mancur Olson (1965, 1982), Viktor Vanberg (1982) und James Coleman (1966, 1979) geleistet wurden. Dabei ist Olson (1982) über die Kollektivgutproblematik hinausgegangen und hat die Perspektive auf Systeme der Interessenvermittlung zwischen Gruppen erweitert. In diesem Zusammenhang hat seine These einer institutionellen Sklerose und des ökonomischen Niederganges von Nationen besondere Aufmerksamkeit gefunden.
Im folgenden sollen Möglichkeiten und Restriktionen politischer Institutionenbildung aus einem "Naturzustand" freien Gruppenhandelns näher untersucht werden. Dabei steht die Auseinandersetzung mit Olsons Theorie des kollektiven Handelns im Vordergrund. In Abgrenzung zu ihr werden Möglichkeiten des Entstehens rationaler und allokationseffizienter Ordnungen aus partikularen Nutzenkalkülen beteiligter Akteure aufgezeigt. Dabei liegt eine Hypothese zugrunde, die im Anschluß an Max Weber monopolistisches Gemeinschaftshandeln als Quelle gesellschaftlicher Institutionen- und Normenbildung betrachtet. Besondere Aufmerksamkeit wird in einem zweiten Schritt dem Zusammenhang gesellschaftlicher Verbandsbildung mit staatlicher Organisation und Politik zukommen. Wenn allokationseffiziente Ordnungen aus Prozessen freier gesellschaftlicher Gruppenbildung und Interessenpolitik entstehen können, so hat dies Folgen für die Analyse und Beurteilung staatlicher Politik gegenüber solchen Prozessen.
Die Möglichkeiten autonomer gesellschaftlicher Konfliktregulierung wurden in der Politikwissenschaft schon erheblich höher eingeschätzt als heute. Zunächst gilt es deshalb sich mit einigen gängigen politikwissenschaftlichen Argumentationen auseinanderzusetzen und dabei insbesondere den seit Jahrzehnten zu verzeichnenden "Niedergang" der Pluralismustheorie nachzuzeichnen.
Olsons Theorie des kollektiven Handelns zufolge haben kleine Sonderinteressengruppen einen Organisationsvorteil gegenüber großen umfassenden Interessenverbänden. In kleinen Gruppen sind die Vorteile einer Mitgliedschaft für einzelne Mitglieder zurechenbar und die Erstellung eines Kollektivgutes hängt unmittbar von ihrem Beitrag ab. Der Kooperationsertrag kleiner Gruppen, z.B. der gemeinsame Bau eines Weges oder der Gewinn aus einem Kartell, kann meist auf die Mitglieder begrenzt werden. Es handelt sich dann um exklusive Gruppen. Sie basieren auf monopolistischen Motiven und führen zu sozialer Schließung nach Außen. Die von Großgruppen bereitsgestellten Kollektivgüter, etwa der Tarifvertrag einer Gewerkschaft, sind dagegen meist auch Nichtmitgliedern zugänglich. Zudem fällt der Kooperationsbeitrag des Einelmitglieds kaum ins Gewicht. Solche Gruppen sind inklusiv; sie basieren auf propagandistischen Motiven und sind auf Mitgliederwerbung angewiesen.[1] Aus der Sicht des Einzelnen erscheint es deshalb rational, an einem Kollektivgut zu partizipieren ohne zu dessen Bereitstellung beizutragen. In der Konsequenz führt dies zur "Ausbeutung" allgemeiner Interessen durch partikulare Sonderinteressengruppen - zu gesellschaftlichen Verteilungskoalitionen auf Kosten unorganisierter oder nur schwer organisierbarer Bedürfnisse. Die monopolistische Vermachtung von Gesellschaften hat ökonomische Fehlallokationen und institutionelle Verfestigung - etwa von Löhnen und Preisen -, schließlich den Nidergang von Nationen zur Folge.
Olson zeigt mit einem methodenindividualistischen Ansatz, was die politische Theorie lange vor ihm thematisiert hat. Theoretiker wie Rousseau, Madison oder Schumpeter diskutierten Gefahren, die der Gesellschaft von privilegierten Gruppen drohen und warnten insbesondere vor deren schädlichem Einfluß auf die Demokratie. Dagegen sind eine Reihe von institutionellen Vorkehrungen denkbar. Im Prinzip gibt es zwei Ansätze gesellschaftliche Sonderinteressen und ihre schädlichen Wirkungen zu begrenzen: der freie Wettbewerb von Interessengruppen mit minimalem Staatseingriff einerseits, und der ordnungpolitische Eingriff in den Prozess gesellschaftlicher Interessenorganisation anderseits. Wettbewerbskonzepte der Interessenvermittlung enthalten die Vorstellung eines pluralistische Kräftemessens, wie sie in der amerikanischen "group-school" ausgehend von Bentley (1908) und Truman (1951) entwickelt wurde. Staatszentrierte Konzepte bauen dagegen auf den Staat als Hüter des allgemeinen Interesses, der die Macht partikularer Gruppen entweder desorganisiert (Etatismus) oder sie durch positive Organisationshilfen in die Politikentwicklung einbindet (Korporatismus).
Insbesondere die Herausbildung des neuzeitlichen kontinentaleuropäischen Staates basiert auf der Idee einer Schutzmacht gegen Sonderinteressengruppen, und der Garantie gleicher Interessenberücksichtigung vereinzelter Bürger. Über den gesellschaftlichen Partikularismen stehend, soll der Staat die Rationalitäts- und Gerechtigkeitsprobleme politischen Gemeinschaftshandelns lösen. Diese Vorstellung ist indes nicht unproblematisch. So verschiedene Theoretiker wie Karl Marx oder Carl Schmitt betrachteteten auch den Staat als mögliche oder tatsächliche Beute machtvoller, gut organisierter Teile der Gesellschaft. Der Staat tritt, je stärker diese Bedrohung erscheint, umso mehr ins Zentrum jedweder Bemühung um eine Autoritätsstruktur und um die Einheitlichkeit politischen Gemeinschaftshandelns. Die Vorstellung eines pluralistischen, vorstaatlichen Interessenausgleichs bleibt auf der Strecke.
Pluralistische Politiktheorien sind seit den sechziger Jahren zunehmend in theoretischen und empirischen Begründungsnotstand geraten. Zunächst wurde die Vorstellung eines für neue gesellschaftliche Bedürfnisse offenen pluralistischen Interessengleichgewichtes von der neomarxistischen Klassentheorie angegriffen (vgl. Krehmendahl 1977, Blanke/Jürgens/Kastendieck 1975). Bereits in den sechziger Jahren ist auch die wesentliche Prämisse des Pluralismuskonmzeptes, die Behauptung gleicher Organisierbarkeit aller Interessen, von Mancur Olson (1965) widerlegt worden. Später hat Olson (1982) die Annahme, das pluralistische Kräftemessen führe - ähnlich dem ökonomischen Markt - zur optimalen Allokation von Werten und zu allgemein akzeptierten politischen Problemlösungen, widerlegt, indem er zeigte, daß die verzerrte Interessenberücksichtigung pluralistischer Gruppenpolitik eine okonomische Niedergangsspirale auslöst. Westliche Industriegesellschaften basieren freilich nach wie vor ganz wesentlich auf den Prinzipien der Vereinigungsfreiheit und freier Interessenpolitik, ohne daß die Niedergangsszenarien der marxistischen Klassentheorie oder der Olsonschen Stagnationshypothese empirische Realität geworden wären.
Die Debatte um einen neuen Korporatismus (Lehmbruch 1977, Lehmbruch/Schmitter 1982) zeigte, daß die Wirklichkeit der Interessenvermittlung in westlichen Industrieländern weder aus Klassenherrschaft, noch aus pluralistischen Gleichgewichtsprozessen oder aus der Privilegierung kleiner Sonderinteressengruppen bestand, sondern - mit wechselndem Erfolg - auf die Einbindung großer und/oder repäsentativer Verbände in die Politik hinzielte. Neuerdings haben - teiweise im Rückgriff auf die Korporatismusdebatte - verschiedene Spielarten des Neo-Institutionalismus (Evans, Rueschemeyer und Scocpol 1985, Olsen 1990) das Interesse auf die Anatomie und Autonomie staatlicher Organisation und Politik gelenkt. In dieser Sichtweise erscheint gesellschaftliche Organisation oft nur noch als direkte Folge oder mehrfach gebrochener Reflex von Prozessen staalich-bürokratischer Institutionalisierung. Lehmbruch (1990) erklärt die Herausbildung und Persistenz nationaler Interessenvermittlungsysteme aus spezifischen Strategien staatlicher Akteure im Umgang mit gesellschaftlichen Interessen. Die historische Organisation von Staat und Verwaltung wird damit konstitutiv für gesellschaftliche Interessenpolitik. Nach all dem stellt sich die Frage, ob die pluralistische Theorie als Erklärungsmodell der Politik engültig ausgedient hat, oder ob es doch Elemente dieser Thorie gibt, die noch bedenkenswert erscheinen.
Ein wesentlicher Unterschied der Olsonschen Theorie des kollektiven Handelns zur älteren politikwissenschaftlichen Pluralismustheorie (Bentley, Truman) und ihren jüngeren Varianten (Dahl, Lindblom, Fraenkel) liegt darin, daß Olson einzelne isolierte, exogene, d.h. vorgegebene, rationale und stabile Präferenzen von Individuen unterstellt, während die Pluralisten realistischerweise von inkonsistenten, durch Gruppenzugehörigkeit und soziale Gruppenprozesse geprägte, Präferenzordnungen ausgehen. Von daher kommen sie zu der für sie wesentlichen Vorstellung von "cross-pressures" und "overlapping membership", die den gesellschaftlichen Interessenausgleich begünstigen. Individuelle Präferenzkonflikte und Mehrfachmitgliedschaften bilden gewissermaßen intergrative Kräfte, welche das Allgemeininteresse bereits auf der Ebene einzelner Akteure zur Geltung bringen.
Wenn der Kleinaktionär einer chemischen Fabrik, ein Chemiearbeiter oder dort beschäftigter Ingenieur Mitglieder eines Anglervereins sind, der am Fluß unterhalb der Fabrik seine Fischgründe hat, schlägt sich der Ökonomie-Umwelt Konflikt bereits in den Einstellungen dieser Personen nieder. Ihre Mitgliedschaft in einer Aktionärsvereinigung, Gewerkschaft oder einem Berufsverband kann dann nicht mehr ausschließlich als Verfolgung eines isolierten Sonderinteresses gedeutet werden. Ihr Mitgliedschaft im Angelsportverein wirkt auf die Aktivitäten in Aktionärsverein, Gewerkschaft, oder Bereufsverband zurück. Sie trägt besipielsweise zur Rechtfertigung der extern ausgelösten Opposition gegen umweltschädliche Einleitungen des Chemiebetriebes innerhalb dessen eigenem Interessenbereich bei. Aus überlappender Mitgliedschaft resultiert ein Moment der Öffnung der Chemieinteresen gegenüber Bedürfnissen ihrer gesellschaftlichen Umwelt. Auf diese Weise werden Prozesse der Strukturbildung im Netzwerk der Chemieinteressen angestossen und mit dessen Organisationsumwelt verknüpft. "Das Phänomen überlappender Mitgliedschaften ist eine fundamentale Tatsache, deren Bedeutung für den Prozess der Interessenpolitik, vermittels ihrer Auswirkung auf die internen Strukturen von Verbänden, kaum überschätzt werden kann" (Truman 1951; 158).
Cross-Pressures, wie sie aus der realistischerweise anzunehmenden Vielzahl von Präferenzen einzelner Akteure folgen, tragen zur Entisolierung individueller Interessen bei. Sie stellen unabhängig von Organisationsmerkmalen, z.B. groß oder klein, Gruppenbindungen in Frage. Die Aggregation von Interessen wird dadurch wesentlich erleichtert. Das pluralistische Konzept der Cross-Pressures und überlappenden Gruppenzugehörigkeit ist außer in der Wahlforschung nicht in spätere politikwissenschaftliche Erklärungsansätze gesellschaftlicher Interessenvermittlung übernommen worden.[2] Dies ist vermutlich auf eine Abwehrhaltung gegen den darin enthaltenen sozialpsychologischen Individualismus zurückzuführen, wie er erst neuerdings durch die Arbeiten von Jon Elster eine gewisse Reputation zurückgewinnen konnte.[3]
Die Ausblendung pluralistischer Konzepte kollektiven Handelns ist deshalb bemerkenswert, weil individuelle Präferenzkonflikte mit fortschreitender gesellschaftlicher Differenzierung zunehmen, und deshalb die Modellanahme konsistenter exogener Präferenzordnungen der Public Choice Theorien immer fragwürdiger wird. Gleichzeitig bewirken zunehmende individuelle Präferenzkonflikte und überlappende Gruppenzugehörigkeit eine Entdifferenzierung sozialer und politischer Scheidelinien. Dieser Prozess entzieht individuellen Werthaltungen ihre soziale Basis, wie sie bei eindeutiger Zugehörigkeit zu Großgruppen (Arbeiter, Bauern, Landwirte, Katholiken, Protestanten, etc.) und verfestigten kulturellen Milieus historisch gegeben war. Dadurch werden individuelle Wahlmöglichkeiten erweitert. Es ergibt sich eine rational motivierte Offenheit für verschiedene Entscheidungsalternativen, die zwar die Tendenz zum "homo oeconomcius" unterstützt, gleichzeitig aber sozialer Schließung entgegenwirkt.[4]
David Truman hat die in ausdifferenzierten Gesellschaften anzutreffende Vielfalt und Offenheit individueller Orientierungen im Typus des "Fellow Travellers" auf den Begriff gebracht. Der "Mitreisende" schätzt oder teilt die Ziele einer Gruppe oder eines Verbandes ohne Beiträge zu entrichten. Olson würde ihn als "Trittbrettfahrer" klassifizieren und übergeht dabei, daß die Loyalität solcher "Mitglieder" wichtig sein kann, für die Interessenvermittlung mit der Außenwelt eines Verbandes und für die Durchsetzung von Forderungen. "Die Beitragszahler unterscheiden sich zwar von "Mitreisenden", aber beide erfahren in unterschiedlichem Ausmaß die Konflikte überlappender Mitgliedschaften" (Truman 1951; 158).
Olson zeigt, wie Individuen mit einer Präferenz in Gruppen handeln. Er stilisiert damit die Mitglieder von Interessenverbänden zu Monaden, die jeweils nur einen einzigen unteilbaren Zweck verfolgen. Individuen bringen aber, wie gezeigt, ihre ganze Person, und damit vielfältige Interessen in eine Gruppe ein. Dies betrifft auch die ökonomischen Interessen von Unternehmern, die auf verschiedenen Märkten (Arbeitsmarkt, Rohstoffmarkt, Konsumgüter-, Investititonsgütermarkt) mit unterschiedlichen Interessen auftreten und zudem politischen Unsicherheiten und Präferenzkonflikten ausgesetzt sind .[5]
Präferenzvielfalt beeinflußt die interne Konsensbildung in Organisationen sowie mögliche Aktivitätsverlagerungen und Ausweichstrategien individueller Verbandsmitglieder, ebenso wie die Art der Vernetzung mit anderen Verbänden. Granovetter (1985;506) hat auf die Bedeutung außerökonomischer Ziele wie Geselligkeit, Anerkennung, Status und Macht für individuelle Mitglieder von Interessengruppen oder selbst Wirtschaftsunternehmen hingewiesen. In Verbindung mit einem Wettbewerbsmodell der Verbändepolitik ergeben sich vor diesem Hintergrund neue, der Olsonschen Logik entgegengesetzte Perspektiven der Verbändetheorie.
Folgt man Olson darin, daß Assoziationsfreiheit eine Zunahme von Sonderinteressengruppen bewirkt und umfassende Interessen unorganisiert bleiben, so stellt sich die Frage wie sich mehr und mehr Sonderinterssengruppen zueinander verhalten.
Die pluralistische Mechanik des politischen Wettbewerbs basierte noch auf Vorstellungen von Konkurrenz und des Ausgleiches von Kraft und Gegenkraft. Dadurch hielten sich - im Rahmen eines homeostatischen Gleichgewichtes - gesellschaftliche Sonderinteressen quasi von selbst in Schach; denn, so die Pluralisten, Sonderinteressen aktivieren notwendigerweise Gegeninteressen. Dieser Sachverhalt - die Möglichkeit des wohlfahrtssteigernden Wettbewerbs von mit gleichen Organisationschancen ausgestatteten kleinen Sonderinteressengruppen - entgeht nun Olson weitgehend .[6]
In seinem Modell bleiben Annahmen über den Grad von Gruppenwettbewerb merkwürdig konfus. Einerseits wird argumentiert, daß Sonderinteressengruppen bewußt zum Zweck der Ausbeutung nicht organisierter Teile der Gesellschaft in Verteilungskoalitionen zusammenwirken. Andererseits werden mit der Berufung auf die mikroökonomische Theorie marktähnliche Konkurrenzbeziehungen zwischen Individuen und monpolistischen Gruppen konstatiert, die aber, abweichend von der neoklassischen Gleichgewichtstheorie, in immer weitere Kartellierung einmünden. Selbst wenn man annimmt, daß Sonderinteressen problemlos monopolistisch organisiert werden können - was aufgrund individueller Präferenzkonflikte und verbreitetem "Fellow-Travelling" fraglich ist - enthält die Argumentation eine absurde Vorstellung. Die Olsonsche organisierte Gesellschaft besteht am Ende aus einer Vielzahl sektoraler Assoziationsmonopole, die gegenseitig unbehelligt ihre Monopolrenten einstreichen können! Übertragen auf die Ökonomie würde Olsons ökonomische Theorie der Politik die implizite Monopolisierung von Monopolen bedeuten.
Realistischerweise müsste die Endlichkeit des gesellschaftlichen Reichtums und die mögliche Realisierung eines höheren Anteils durch Wettbewerb, einer solchen Monopolisierung entgegenwirken. Dies umso mehr, wenn, wie von Olson prognostiziert, die Verteilungsmasse des Sozialproduktes aufgrund von Gruppenhandeln zurückgeht. Es wäre gerade dann für Sonderinteressengruppen rational um Anteile am Sozialprodukt in Konkurrenz zu treten.[7] Sie müssten sich den Monopolstatus gegeseitig bestreiten, wie es etwa zwischen eisenerzeugenden und eisenverarbeitenden Kartellen der Zwischenkriegszeit bekannt ist.
Die entscheidende Frage ist, ob und unter welchen Bedingungen der Wettbewerb von Sonderinteressengruppen, die gesellschaftliche Wohlfahrt steigern würde. Dies erscheint wahrscheinlich, wenn man beispielsweise an die politische Rivalität von "Betonverein" und der "Asphaltlobby" im Österreichischen Straßenbau denkt, wie sie von Marin (1986) geschildert wird .[8] Politik und Öffentlichkeit eröffnet sich durch den Streit dieser Gruppen um Normung und Aufträge im Straßenbau eine Möglichkeit der Information und Auswahlentscheidung, die andernfalls nicht gegeben wäre. Hier kann man einwenden, daß sich die Straßenbauinteressen über kurz oder lang in einem Kartell arrangieren, und auf Kosten des Steuerzahlers - Beton hin, Asphalt her - nur noch die jeweils teuersten Staßen bauen werden. Olsons Theorie wäre bestätigt, denn es würden zu einem gegebenen Preis nicht die besten Straßen gebaut, sondern die Sonderinteressen der allgemeinen Straßenbaulobby an möglichst hohen Gewinnen befriedigt. Das Bild ändert sich freilich wenn weitere gesellschaftliche Gruppen hinzukommen.
Man kann Olsons Unterscheidung von großen und kleinen Gruppen heranziehen, und in einem Gedankenerxperiment einen Automobilclub als Großverband und Lobbyisten für gute Straßenverhältnisse gegen Asphalt- und Betonverein oder deren fusionierte Lobby der Straßenbauer antreten lassen. Dabei wird unterstellt, daß ein großer Automobilclub auch an der Wirtschaftlichkeit des Straßenbaues interessiert ist, weil dadurch bei einem gegebenem Budget mehr Straßen gebaut werden können. Die Frage ist, ob sich ein Organisationsvorteil für die kleine Gruppen ergibt. Gary Becker (1983, 1988) argumentiert, daß die Effizienz von Interessenpolitik nur teilweise von der Lösung des Trittbrettfahrerproblems abhängt. Dies liegt daran, daß es Skaleneffekte der Interessenpolitik gibt, welche die Vorteile kleiner Verbände aufheben.
Interesssenpolitik verursacht Kosten der Informationsbeschaffung, der Mobilisierung von Mitgliedern und der Öffentlichkeit. Vor allem kleine Verbände können den Aufwand wissenschaftlicher Expertisen und der Öffentlichkeitsarbeit, die den Erfolg von Eingaben an Ministerien wesentlich bestimmen, häufig nicht aufbringen .[9] Auch in der direkten Auseinandersetzung zwischen Verbänden können die aus Mitgliederstärke resultierenden Ressourcen entscheidend werden. Ein Beispiel für die Skalenerträge von Großorganisationen ist der ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobilclub), dessen sieben Millionen Mitglieder jährlich weit mehr Mittel aufbringen, als die vergleichsweise wenigen Straßenbauuntertnehmen für ihre Organisationen. Die Vorteile der Verbandsgröße liegen hier im leistungsfähigen Verwaltungs- und Dinstleistungsapparat, in niedrigen Einzelbeiträgen und in kostengünstigen Angeboten einer weiten Palette selektiver Anreize zur Mitgliedschaft, wie Versicherungen, Informationsdienste und Pannenhilfen.
Neben der effektiven Kontrolle von "Trittbrettfahrerverhalten" und positiven Skalenerträgen, nennt Becker (1983,1988) einen weitere entscheidenden Einwand gegen Olsons Theorie.Er entdeckte einen Zusammenhang zwischen dem aus politischen Gruppenwettbewerb resultierenden Nutzengewinn für einzelne Akteure und den sozialen Kosten (dead-weight-losses) von Umverteilungspolitiken. Mit Hilfe eines formalen Zwei-Gruppenmodells läßt sich zeigen, daß Lobbyaktivitäten, welche die soziale Wohlfahrt schmälern von gesellschaftlichen Gegenkräften eher eingedämmt werden, als solche, die sich wohlfahrtssteigernd auswirken. Dies hat zwei Gründe: Einmal werden die Möglichkeiten einer kompensatorischen Befriedung der Gruppen welche die Kosten der Umverteilung zahlen mit abnehmenden Verteilungsspielräumen aufgrund soialer Vermachtung und mit steigenden bürokratischen Umverteilungsverlusten geringer. Gleichzeitig verschlechtern "tote Kosten der Umverteilung" ("Dead-Weight-Losses") die Kosten-Nutzenbilanz der Nutzniesser von Umverteilungen, während die Einflußkosten konstant bleiben, oder wegen verstärkten Gegendruckes sogar steigen.
Das Beispiel des Straßenbaues erweist sich auch hier als instruktiv. Neben den Asphalt- und Betoninteressen, sowie dem Automobilclub, gibt es auch noch einen Verband der Automobilindustrie, der ein starkes Interesse am Individualverkehr und guten Straßen repräsentiert. Je weniger und dazuhin schlechte Straßen bei konstantem Budget aufgrund der Kartellsituation gebaut werden können, desto mehr lohnt es sich für die beiden anderen Verbände höhere Kosten für ihr politisches Engagement aufzubringen. Hier könnte man kritisch einwenden, daß sich ADAC, Automobilindustrie und Straßenbauer zu einem Bündnis für den Individualverkehr zusammenschließen können. Dies ist eine denkbare Perspektive. Daß daraus die Verfestigung eines Ausbeutungsverhältnisses und ökonomischer Niedergang resultiert ist jedoch kaum anzunehmen. Dieses Bündnis wäre nämlich eine große "umfassende" Interessenorganisation, mit erheblichen internen Spannungen. Beispielsweise gehören zum Verband der Automobilindustrie auch die Hersteller von Omnibussen für den öffentlichen Personenverkehr. Weiterhin erwarten die beteiligten Verbände voneinander die kostengünstige Herstellung privater und öffentlicher Güter. Es ist für die Automobilindustrie und die ADAC-Mitglieder ein Vorteil wenn der Straßenbau effizient und kostengünstig ist. ADAC-Mitglieder sind außerdem an preisgünstigen Autos und einem ausgebauten Straßennetz interessiert. Es ist deshalb schwer vorstellbar, daß sie ein ein gemeinsames Kartell unterstützen, das neben einer Koordinierung politischer Aktivitäten soziale Kosten (überteuerte Autos und Straßen) verursacht, die ihre eigenen Mitglieder tragen müssen.
Es zeigt sich, daß Olson's "Verurteilung von Sonderinteressen übertrieben ist, weil der Wettbewerb zwischen diesen Gruppen zur Entwicklung von Politiken beiträgt, welche die Wohlfahrt erhöhen" (Becker 1988; 102). Eine - auch implizite - (Meta-)Kartellierung von monopolistischen Sonderinteressengruppen zu größeren Verteilungs-Koalitionen erscheint so abwegig wie Olsons gegen die neoklassische ökonomische Theorie gerichtete Annahme, der Wettbwerb von Sonderinteressen sei allokationsineffizient und ginge auf Kosten der allgemeinen Wohlfahrt. Realistisch ist: Bei freier Interessenbetätigung und einer gegebenen Rate des technologischen und gesellschaftlichen Wandels kann mit der Entstehung neuer Interessen der pluralistische Prozess über längere Zeit, also auch in älteren Demokratien, funktionieren. Die vorausgesagte institutionelle Sklerose bleibt aus. Der real existierende Pluralismus wird aus der autonomen Dynamik gesellschaftlicher Konflikte zwischen Sonderinteressen gespeist. Olsons Theorie erklärt dagegen die Entwicklung von Interessenpolitik allein aus der unterschiedlichen Organisierbarkeit von Interessen und der Binnenstruktur von Verbänden. Die Interessenvermittlung des real existierenden Pluralismus besitzt nicht die unspezifischen Selektivität, prinzipielle Durchlässigkeit für alle gesellschaftlichen Interessen, die ihnen von der amerikanischen "Group School" nachgesagt wurde. Trotz ihrer Dynamik und Anpassungsflexibilität enhält sie starke Verzerrungen in der Organisation und Berücksichtigung gesellschaftlicher Interessen. Gleichwohl werden allgemeine Interessen oft als Nebenprodukt aus dem Wettbewerb von Sonderinteressen befriedigt. Dies kann am Beispiel der Nuklearindustrie illustriert werden.
"Cross-presssures", "Überlappende Mitgliedschaften", und die "Skaleneffekte der Interessenorganisation" entschärfen den Kontrast, den Olson zwischen kleinen und großen Gruppen aufbaut. Der folgende Exkurs zu den Organisations- und Konsensbildungsproblemen einer kleinen Sonderinteressengruppe, der US-Nuklearindustrie, zeigt weitere Eigenheiten von Interessenpolitik, die in dem Olsonschen Modell nicht erfasst werden, gleichwohl aber ihre Organisationsbedingungen und Wohlfahrtseffekte entscheidend prägen.
Die wichtigsten Verbände der amerikanischen Kernenergiewirtschaft umfassen meist weniger als 100 Mitglieder, davon etwa 65 Kraftwerksbetreiber, vier Reaktorbauer, etwa fünf große Konsruktionsfirmen (architect-engineers) und eine Anzahl von Komponentenherstellern. Man müßte hier aufgrund der Kleinheit und eines eng definierten Sonderinteresses eine vergleichsweise effektive Verbandspolitik erwarten: kein "Trittbrettfahren", keine internen Konsensbildungsprobleme, d.h. hohes Mobilisierungspotential, schnelle politische Reaktionsfähigkeit und bürokratische Effizienz, zudem die Fähigkeit sich gegenüber Allgemeininteressen, etwa an der Sicherheit von Kernkraftwerken und günstigen Stromtarifen, aufgrund der genannten Organisationsvorteile durchzusetzen. Ein Blick auf die Organisationsprobleme des Nuklearsektors in den 80er Jahren macht schnell deutlich, daß bereits Olson's Grundannahme, kleine Verbände verfügten über einen Organisationsvorteil gegenüber Großverbänden, von der Wirklichkeit nicht bestätigt wird.
Zwar kann bis zum Ende der siebziger Jahre von einer durchsetzungskärftigen Organisation der Nuklearinteressen ausgegangen werden. Im Zentrum stand die registrierte Lobbyorganisation aller Nuklearinteressenten das 1954 gegründete "Atomic Industrial Forum" (AIF), in dem auch Regierungsbehörden Mitglieder waren sowie das "American Nuclear Energy Council" (ANEC). Beide Organisationen unterhielten regelmäßige Beziehungen zum Kongress, insbesondere dem "Joint Committee of Atomic Energy" (JCAE). Ansonsten herrschte eine aus der Anfangszeit der staalichen Nuklearförderung überkommene Clan-struktur, in der Experten der vom Department of Energy und dem Pentagon betriebenen und aus dem Manhattan Projekt hervorgegegangenen "National Laboratories" (Argonne, Oak Ridge, Los Alamos), Mitarbeiter der AEC, Kongressabgeordnete und Repräsentanten der Industrie lose verbunden waren. Es handelte sich um ein von der übrigen Politik losgelöstes Politiknetzwerk mit geringer interner Konfliktintensität schwachem Formalisierungsgrad.
Als sich in den siebziger Jahren die Kritik am weiteren Ausbau der Kernenergie ausweitete, insbesonder nach dem "Störfall" von Three Mile Island, bei dem eine fortgeschrittene Kernschmelze noch gestoppt werden konnte, hegten die Betreiber die Befürchtung die aus der 1975 "Atomic Energy Commission" hervorgegeangene "Nuclear Energy Commission" könne mit einer begonnen Verschärfung von Sicherheitsinspektionen und -standards fortfahren und dabei die Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Ertrag aus dem Auge verlieren. Außerdem versuchten die dominanten "utilities" bereits seit Beginn der siebziger Jahre eher erfolglos die "schwarzen Schafe" des Sektors zu eigenen Sicherheitsanstrengungen zu bewegen. Daß es sie gab gerade durch Berichte zu TMI an die Öffentlichkeit gedrungen und hatte bei den Elektrizitätsgiganten - Duke Power, Carolina Power, Commenwealth Eddison - die Vorstellung reifen lassen, industrieeigene Regulierungsstandards zu entwickeln, die Sicherheit und Effektivität auf einen gemeinsamen Nenner bringen sollten. Die "black sheeps" des Sektors - Opportunisten, welche die vom Verband bereitgestellten Güter wie Vertrauenswerbung, "Lobbying" und informelle Vereinbarungen mit der Regulierungsbehörde gefährdeten - stellten nur eines der Organisationsprobleme dar, mit denen die kleine Sonderinteressengruppe nicht zurechkam.
Es gab es innerhalb des "American Nuclear Energy Council" und dem "Atomic Industrial Forum" durchaus kontroverse Interessen auf dem Feld der sicherheitstechnischen Nachrüstung von Kernkraftwerken. Hier standen sich Hersteller, die solche Ausrüstungen verkaufen wollen und Betreiber gegenüber. Innerhalb der Betreibergruppe unterschieden sich Elektrizitäsunternehmen mit hohem Atomstromanteil von solchen mit nur geringen Kernkraftkapazitäten. Zudem gabe es die effektiven Unternehmen mit relativ sicheren Reaktoren und seltenen Betriebsunterbrechungen und die "schwarzen Schafe" mit lascher Auslegung der Sicherheitsvorschriften und zumeist auch häufigen Betriebsunterbrechungen. In dieser Situation war "AIF nicht effektiv, weil dort alle Mitglied waren".[10]
Als erste Reaktion wurde bereits Ende 1979 aus dem "Three Mile Island Ad Hoc Oversight Committe" heraus das "Institut of Nuclear Power Operations" (INPO) gegründet. Die Mitarbeiter dieses auf die Balancierung der Ziele ökonomische und sicherheitstechnische Performanz von Nulklearanalagen ausgerichteten Verbandes wurden großteils aus der "Nuclear Navy" rekrutiert, so der Geschäftsführer Zech Pate, ein früherer Mitarbeiter von Admiral Rickover, der die "Nuclear Navy" nach dem zweiten Weltkrieg aufgebaut hatte und zusammen mit den Admiralen Watkins (Energieministerium) und Carr (Nuclear Regulatory Commission) auch an der Gründung von INPO beteiligt war.[11] Man findet in der Nucelar Navy aus der Zeit ihrer Aufbaues vielfältige Loyalitäten zum Staat, zum Wissenschaftbetrieb (über die National Laboratories) und zu verschiedenen Teilen der Kernenergiewirtschaft. Informelle überlappende "Mitgliedschaften" machen Fürhungspersonen wie Hyman Rickover zu typischen "Fellow Travellers". Eine wesentliche Rolle spielte nach "Three Mile Island" besipielsweise Rickovers Beratertätigkeit für Präsident Carter, der in der perfektionistischen und elitären "Rickover-group" Seekadett gewesen war. Hier erweist sich die "Stärke schwacher Bindungen" (Granovetter 1985), wie sie konzeptuell bereits in der Pluralismustheorie aufscheint und in Ouchis (1980) Begriff des "Clans" oder Granovetter's "Sozialer Eingebettetheit" zur Erklärung politischen Gemeinschaftshandelns verwendet wird.
Die mit Unterstützung der Navy installierte INPO ist eine "Regulierungsorganisation der Regulierten". Sie erhebt umfangreiche Betriebs- und Sicherheitsdaten ihrer Mitgliedsfirmen, die aufbereitet und über eine Datenbank on-line den Mitglieder verfügbar gemacht werden. INPO hat einen eigenen Performanzindikator für Atomkraftwerke entwickelt, der Sicherheit und Effektivität der Anlagen umfasst. Die Organisation vermeidet den engen Kontakt mit der staatlichen Regulieruingsbehörde NRC, insbesondere in Fragen von Regulierungsstandards und ihrer Veränderung. Sie möchte sich vor ihren Mitgliedern nicht dem Verdacht auszusetzen, auf diese Weise indirekt zu einer Verschärfung der staatlichen Regulierung beizutragen. Als Organisationssitz wurde deshalb nicht Washington, sondern Atlanta, Georgia, gewählt.
Trotz der prekären Interessenkonstellation werden zwischen INPO und NRC zunehmend Informationen über den Sicherheitsstand einzelner Kraftwerke ausgetauscht "um einen weiteren Unfall zu vermeiden".[12] Dies führte freilich zu einer Schließung der ansonsten außerordentlich offenen US-Regulierungspraxis. Durch Gerichtsentscheid nach einer Klage der "Union of Concerened Scientists" (UCS) auf Herausgabe der INPO-Erhebungen ist die NRC von der nach dem "Atomic Energy Act" und dem "Freedom of Information Act" gebotenen Veröffentlichung aller Konstruktions- und Prüfungsunterklagen von zivilen Nuklearanlagen im Falle der vertraulichn Übermittlungen der INPO nicht nur freigestellt; es ist ihr sogar untersagt, dieses "Privateigentum" an die Öffentlichkeit weiterzugeben. Damit ist Industrie und Regulierungsbehörde ein erheblicher Strategievorteil in der Auseinandersetzung mit Nuklearkritikern zugefallen. Es läßt sich zum Ende der achtziger Jahre ein wachsendes Vertrauensverhältnis zwischen NRC und den Betreibern feststellen, daß sich auch in weiteren Organisationsänderungen niederschlug.
Die Zusammenarbeit von INPO und NRC muß auf die Ausbildung von Kraftwerkspersonal und den Austausch von Daten zum Sicherheitsstand einzelner Kernkraftwerke beschränkt bleiben. Interessenvermittlung auf dem Feld allgemeiner Regulierung, insbesondere der Erarbeitung neuer Vorschriften verbietet sich, da dies zu Konflikten zwischen Mitgliedergruppen der INPO führen würde (in der INPO sind auch 14 Hersteller und Konstruktionsfirmen organisiert, deren Interesse an Sicherheitsvorschriften von dem der Kraftwerksbetreiber abweicht). Dieser Problematik scheint man sich erst in den 80er Jahren bewußt gworden zu sein. Die großen Energieversorgungsunternehmen betrieben daraufhin die Gründung eines weiteren Verbandes, der als Ansprechparner der NRC, der "Environmental Protction Agency" EPA, und des "Office of Management and Budget"[13] fungieren und gleichzeitig eine politische Führungrolle gegenüber der stark mit Technokraten durchsetzten INPO einnehmen sollte.
Das "Nuclear Management and Resources Council" (NUMARC) verdankt seine Enstehung der Erkenntnis, daß ohne den direkten Kontakt zu Regulierungsbehörden, eine dauerhafte Stabilität des Sektors nicht möglich ist. Zum einen liegt dies daran, daß "the regulating government became more powwerful than congress"[14] und "congress in recent years passed acts not very precise, which let a lot to do for Agencies"[15], zum zweiten liegt es an notwendigen Abstimmungen mit weiteren ökonomischen Akteuren, voran den Banken und Versicherungen, die von INPO oder speziellen Lobbygruppen nicht geleistet werden konnte.
Es bedurfte eines Gesetzes und der Zustimmung der Versicherungswirtschaft, um INPO auf eine solide Oganisationsbasis zu stellen. Zunächst, anfangs der 80er Jahre war es nur "a very shaky enterprise".[16] Erst der Price-Anderson Act, der es den Versicherern von Nuklearanalagen erkaubte eine Rabattstaffel für die Versicherungsprämien der Bertreiber einzuführen, brachte für INPO den Erfolg. Sie ist es nämlich die seitdem ihre Sicherheitsratings einzelner Kraftwerke (Skala von 1 bis 5) an die Versicherer weitergibt, und damit über die Eingruppierung in "Störfallfreiheitklassen" entscheidet. Es gibt demnach einen starken, auf staatlicher Gesetzgebung basiereden Anreiz für die einzelnen Betreiber, die Selbstregulierung durch die INPO nicht zu konterkarieren, oder gar aus INPO auszutreten. Gleichzeitig machte der Price-Anderson Act INPO und NRC zu Komplizen; es entstand eine Art "Sicherheitspartnerschaft", die allerdings um des inneren Friedens von INPO willen nicht offen zutage treten konnte.
Es mag sein, das erst diese Erfahrung den Betreibern die Wichtigkeit einer konstruktiven Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden vermittelte. Das 1987 installierte NUMARC "is geared to the structure of NRC" (Todorowich). Die Organisation hat eine vergleichsweise komplizierten Organisationsaufbau. Die Mitgliedschaft besteht aus zwei Gruppen - utilitites und andere, vor allem Herstellerfirmen. Letztere sind zwar im Vorstand vertreten, besitzen aber kein Stimmrecht in der Vollverammlung aus 54 Elektrizitätsversorgungsunternehmen, 10 "Nuclear Steam Supply System Vendors" und vier "Architect/Engineering firms". Beschlüsse der Vollversammlung sind an eine 80 Prozent-Mehrheit gebunden; dies um interne Konflikte zwischen Herstellern und Betreibern sowie innerhalb von Betreibergruppen bei der Abstimmung mit der NRC, etwa in der Fragen von Sicherheitsstandards, zu vermeiden.
Die mit Konsensproblemen und Opportunismus belastete Neuordnung der Nulearinteressen in den USA zeigt, daß so einfache Organisationsmerkmale wie "Gruppengröße" über die Organisierbarkeit von Interessen nicht allzuviel aussagen. Dies gilt im übrigen auch für andere einfache Merkmale der Binnenstruktur von Verbänden wie Zentralisierungsgrad oder Organisationsgrad.[17]
Stattdessen spielen Cross Pressures, überlappende Mitgliedschaften, Turbulenzen in der Organisationsumwelt und daraus folgende Unsicherheiten eine entscheindende Rolle. Sie entschärfen den Kontrast zwischen kleinen und großen Interessenorganisationen. Mit diesen strategie- und handlungsleitenden Merkmalen sind die Akteure in großen und kleinen Gruppen gleichermaßen konfrontiert. Hinzu kommt eine weitere Größe, welche die Organisations- und Netzwerkbildung der US-Nuklearindustrie entscheident beeinflußt hat: die sachliche Komplexität von Zwecken, Mitteln und Strategien von Organisationen. Die Handlungskapzität von Verbänden ist nicht durch Gruppengröße, sondern durch das Ausmaß struktureller Differenzierung und der Komplexität von Aufgaben wesentlich bestimmt. Und hier stehen kleine Gruppen den großen nicht notwendigerweise nach.[18]
Das Beispiel zeigt weiterhin, daß es keinen Grund für eine Zurückdrängung von Wettbewerb zwischen kleinen Sonderinteressen gibt. Dies gilt wiederum besonders für hochdifferenzierte kleine Gruppen mit vielfältigen, oft überlappenden Präferenzen. Ein instruktives Beispiel findet sich in den sechziger Jahren, als die US-Nuklearindustrie mehrere Reaktorlinien verfolgte, und ein heftiger Konflikt über die Vor- und Nachteile von Reaktortypen ausgetragen wurde, an dem die Hersteller (Westinghouse, Babcock-Wilcox und General Electric), die an geringen Investitionskosten interessierten Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die an militärischer Nutzung interssierten Abteilungen des Pentagon beteiligt waren. Das Ergebniss eines solchen Kräftemessens muß nicht im Sinne der Pluralismustheorie auf eine optimale Gleichgewichtssituation hinauslaufen. Es gibt freilich dem Parlament und der bereiterenÖffentlichkeit die Chanche in den Konflikt von kleinen Sonderinteressengruppen ordnend oder diskursiv einzugreifen. Tatsächlich waren staatliche Ressorts bei der letztlichen Entscheidung für die Leichtwasserlinie auch beteiligt. Das pluralistische Kräftemessen, das hier sogar innerhalb einer kleinen Sonderinteressengruppe ausgetragen wurde, hatte zur Wahl eines Reaktortyps geführt , der sich in der Folgezeit gegenüber anderen, staatlich stärker geförderten Entwicklungen, etwa in Großbritannien, Frankreich oder UdSSR als vorteilhaft erwiesen hat[19]
Eine weitere Größe die von Olson nicht berücksichtgit wird, ist der Staat als
korporativer Akteur, seine innere Struktur und die in ihm aufgehobenen
Regulierungsvorschriften und -praktiken (vgl. Schubert/Nordhause-Jantz 1988). Die
Reorganisation der US-Kernenergieinteressen in den achtziger Jahren macht deutlich, daß
gesellschaftliche Verbandsbildung teils Reflex auf vorgängige staatliche Strukturen ist -
insbesonder die Gründung von NUMARC. Zum anderen treten staatliche Akteure in Gestalt der
Nuclear Navy, des Kongresses und des Justizministerums - bei der Änderung des
Versicherungsrechtes im Nukelarsektor - auf. Schließlich stand am Anfang der
Reorganisationsphase die Befürchtung, die staatliche Regulierung könne sich in Reaktion
auf "Three Mile Island" und die öffentliche Kritik am Kernenergieeinsatz
unkontrolliert verschärfen, und den Sektorinteressen Schaden zufügen.
Das Beispiel der Nuklearverbände zeigt: In einer kapitalistischen Wirtschaft führt Assoziationsfreiheit in Zusammenhang mit fortwährendem technischen und sozialen Wandel zu Anpassungsreaktionen von Interessenverbänden und zu neuer Organisationsbildung. Diese Prozesse brechen die Tendenz zu verfestigten Verteilungskoalitionen, die in den Partikularinteressen zweifellos vorhanden ist. Wie sind aber die Bildung und gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Organisationen zu beurteilen? Es wurden bereits eine Reihe außerökonomischer und struktureller (z.B. groß oder Klein) Faktoren genannt, die auf Prozesse der Verbandsbildung und Interessenpolitik einwirken. Nachdem Olsons ökonomische Erklärung in etlichen Punkten revidiert wurde, bleibt indes die Frage welche ökonomischen Kriterien Organisationsbildung und -handeln bestimmen? Darauf soll im letzten Abschnitt eingegangen werden.
Olsons These, Prozesse der sozialen Schließung durch monopolistische Sonderinteressengruppen führten geradewegs zur institutionellen Sklerose von Demokratien, übersieht, daß soziale Schließung zur Normenbildung und Regulierung von Märkten beiträgt. Dadurch können ökonomische Transaktionskosten gesenkt, und die Allokationseffizeinz gegenüber atomisierten Märkten gesteigert werden. Institutionelle Rigidität ist keine lineare Funktion sozioökonomischer Vermachtung, sondern von vielfältigen weiteren Faktoren abhängig. Dies soll im Folgenden im Rückgriff auf das Weberianische Konzept ökonomischen Gemeinschaftshandelns und unter Verwendung neuerer Beiträge zur Transaktionskostenökonomik näher ausgeführt werden.
Für Weber ist soziale Schließung eine Quelle gesellschaftlicher Regulierung, der
Regelbildung und Regelbindung sowie der Ausbildung von Rechtssystemen (vgl. Weber 1972;
23ff, 201ff).[20]
Durch soziale Schließung wächst "die Tendenz, eine irgendwie geartete `Vergesellschaftung' mit rationaler Ordnung entstehen zu lassen, und bei Fortbestand des monopolistischen Interesses kommt der Zeitpunkt, wo sie selbst oder eine andere Gemeinschaft, deren Handeln die Interessenten beeinflussen können (z.B. die politische Gemeinschaft), eine Ordnung setzen, welche Monopole zugunsten der Begrenzung des Wettbewerbs schafft, und daß fortan zu deren Durchführung, eventuell mit Gewalt, sich bestimmte Personen ein für allemal als `Organe' bereithalten. Dann ist aus der Interessengemeinschaft eine `Rechtsgemeinschaft' geworden: Die Betreffenden sind `Rechtsgenossen', Dieser Prozess der `Schließung' einer Gemeinschaft, wie wir ihn nennen wollen, ist ein typisch sich widerholender Vorgang, die Quelle des `Eigentums' am Boden ebenso wie aller zünftigen und anderer Gruppenmonopole" (ebenda, 201).
Die Erkenntnis sozialer Schließung als einer aus den ökonomischen Kalkülen gespeisten
Quelle der Institutionalisierung, speziell: der Herausbidung von bürokatischen
Verwaltungsstäben, hat Max Weber einzigartig und prägnant aus einer Fülle historischen
Materials herausgearbeitet.[21] Sie ist für das hier
behandelte Thema von zentraler Bedeutung. Denn verbunden mit Institutionalisierung ist die
Erhöhung der Berechenbarkeit von Verhalten, längerfristig die wertrationale oder
traditionale Überformung und schließlich Eindämmung bloß zweckrationaler Motive des
Handelns.[22] Gegen Olson kann die Webersche
Erklärung vor allem deshalb ins Feld geführt werden, weil sie den Fortbestand von
Wettbewerbsinteressen betont und daraus die Verbindung von monpolisitischem
Gemeinschaftshandeln und der Universalisierung, bzw. Ausweitung sozialer Regelsysteme im
Sinne eines regulierten Wettbwerbs entwickelt. Soziale Vermachtung, das Negativum in
Olsons Theorie, ist Voraussetzung für den positiven Prozess der Universalisierung von
Regeln durch Rechtssetzung.
In Webers Ansatz beinhaltet Machtakkumulation die Möglichkeit integrativer Institutionen. Das aus sozialer Schließung entstehende Eigengewicht von integrativen Institutionen findet in einem aggregativen, von isolierten Einzelinteressen ausgehenden, Ansatz der Interessenvermittlung keine Berücksichtigung. Gleichwohl sind solche Institutionen, die sich abhängig von zahlreichen systematischen Faktoren und historischen Besonderheiten in vielfältiger Ausprägung herausbilden, in eine Erklärung kollektiven Handelns einzubeziehen.[23] Zumindest bliebe einem nur individualistischen Ansatz der Sinngehalt individueller Wahlhandlungen, die über einfache Bedürfnisnisbefriedigung hinausgehen, gänzlich verschlossen. Dies geht schon daraus hervor, daß in solchen Ansätzen individuelle Präferenzen nicht in sozialen und institutionellen Kontexten gedacht werden können, sondern als exogene, gegebene Interessen hingenommen werden müssen. Die Dynamik von Präferenzen, wie sie gerade einem Wettbewerbssystem eigen sind, werden damit der wissenschaftlichen Reflexion entzogen (vgl. March/Olsen 1986; 739). Präferenzen und Handlungen sind aber institutionell, z.B. über Anreizstrukturen gesteuert. Damit kommt schließlich eine Fragestellung ins Spiel, die auf überindividuell geprägte Regelmäßigkeiten des Verhaltens zielt, und die von Olson gänzlich vernachlässigt wird - für ihn gilt nur das uneingeschränkt nutzenmaximierende Individuum. Diese Lücke hat weitreichende Konsequenzen für Olsons Bewertung des Zusammenhanges von "sozialer Schließung" und ökonomischem Niedergang.
Verbindet man Max Webers Ausführungen mit Erkenntnissen der neueren "institutional economics" gelangt man zu einem gänzlich anderen Schluß aus Olsons Theorie. Durch die aus sozialer Schließung folgende Institutionalisierung des Handelns können gesellschaftliche Transaktionskosten gesenkt werden, und es erhöht sich unter bestimmten Umständen die Allokationseffizienz des Wirtschaftens. Olsons Hypothese wäre so mit stichhaltiger Begründung um 180 Grad gewendet: Soziale Schließung durch monopolisitische Verbandsbildung verursacht nicht notwendigerweise ökonomischen Verfall, sondern trägt zur gesellschaftlichen Regelbildung bei. Sie macht damit komplexe Gesellschaften erst möglich und über Mechanismen der Integration und Zielstabilisierung funktionsfähig. Institutionen reduzieren Unsicherheit und ermöglichen Routinisierung als auch Berechenbarkeit und Kalkülisierung von Handeln.
Gleichwohl sind die Vorteile institutionellen Handelns nicht unbegrenzt. Institutionen sind zweigesichtig. Sie können Reibungsverluste vermindern und die Effizienz von Gemeinschaftshandeln steigern. Sie können aber auch Rigidiäten verursachen, und die Transaktionskosten erhöhen (Schaubild 1: Soziale Ordnungsniveaus und Transaktionskosten). Den Umschlagpunkt, die Optimalität von Institutionen zu bestimmen, wäre ein erstrebenswertes Ziel. Es kann aber nicht mit einer allgemeinen Formel erreicht werden, weil jede Aktivität einem eigenen charakteristischen Zusammenhang von Transaktionskosten und Institutionalisierung unterliegt. So erfordert die gegenseitige Interessenbefriedigung durch Tausch vom Typ Zigarette gegen Feuer keine Institutionalisierung, wenn diese Transaktion nicht auf Dauer gestellt werden soll. Anders verhält es sich mit dem Bau und Betrieb eines Kernkraftwerkes, die eine Vielzahl von festen Abmachungen, Verträgen und Regulierungsgrundlagen erfordern. Die "Transaktionskostenkurve" verschiebt sich mit der Komplexität, Abhängigkeit von Vorleistungen und dem Zeithorizont von Aufgaben nach rechts.
Da der transaktionskostenminimale Punkt komplexer Aufgabenerfüllung in Organisationen nicht berechenbar ist, kann es sich sogar empfehlen, ein Mehr an Rigidiät zu riskieren, um damit der Gefahr unvorhergesehener Strukturverluste in einer Organisationskrise entgegenzuwirken.
Oliver Williamson (1975, 1985), Wolfgang Streeck (1983), Marc Schneibergh und Rogers Hollingsworth (1990) und andere haben aus unterschiedlicher Perspektive den Zusammenhang von Regelbindung und Allokationseffizienz zur Erklärung sozialer und wirtschaftspolitischer Sachverhalte eingesetzt. Sie knüpfen damit an eine institutionalistische Argumentationslinie der Sozialwissenschaft, wie man sie schon bei Max Weber findet, an.
Williamson (1975, 1985) hat darauf hingewisen, daß industrielle Organisation vielfach die Kosten ökonomischer Transaktionen gegenüber dem Austausch am Markt senkt. Dies gilt für Transaktionen, die sich häufig wiederholen und von spezifischen Vorleistungen (investiven Anlagen) abhängen sowie von Unsicherheit bedroht sind (Williamson 1985;52). Unter diesen Umständen erweist sich die Allokationseffizienz von Organisationen und institutionalisierten Regelsystemen als überlegen gegenüber dem punktuellen Austausch am Markt. Die Transaktionskosten-Ökonomik behandelt die kostensparenden Effekte nicht-marktlicher institutioneller Koordinationsverfahren, unabhängig davon wie sie entstanden sind. Die Herausbildung transaktionskostenminimaler Institutionen kann jedoch ursprünglich kaum aus rationalen Wahlandlungen abgeleitet werden. Dies hat einmal mit dem eingangs erwähnten Kollektivgutcharakter von Institutionen zu tun; Institutionen können nicht von einzelnenen Akteuren bestimmt werden, sondern sind an Gemeinschaftshandeln geknüpft. Dieses wiederum ist dann am besten organisierbar, wenn es auf monopolistischen Motiven basiert und soziale Schließung bewirkt. Die Senkung von Transaktionskosten kommt hier lediglich als unintendierter Nebeneffekt in betracht. Zum anderen gibt es keine Produktionsfunktion für den Zusammenhang von institutionellem Handeln und Transaktionskosten. Beispielsweise lassen sich die Kosten, die ein Akteur für Informationssuche ausgibt oder die durch Institutionalisierung des Handelns eingespart werden nicht rational bestimmen, weil nicht sicher vorauszusehen ist, wieviel mehr Informationen bei welchen zusätzlichen Investititonen in alternative Suchprozesse zu erwarten gewesen wären. Selbst wenn Institutionen ihre Existenz dem Vorhandensein von Unsicherheit verdankten, und man von wohlüberlegter Institutionenwahl sprechen könnte, würden ökonomische Effizienzkalküle hier nur zur groben Orientierung taugen. Anders verhält es sich mit Organisationen, z.B. Firmen, die im Rahmen bestehender Institutionensystem errichtet werden. Ihre Effizienzorientierung ruht auf vorgängigen Prozessen gesellschaftlicher Rationalisierung und Regelbildung, beispielsweise einem staatlichen Gesellschaftsrecht, das ganz bestimmte Organisationsformen und betriebswirtschaftliche Regeln vorschreibt.
Unterschiedliche Einschätzungen der Allokationseffizienz von Märkten und Organisationen lassen sich mit dieser Sichtweise vereinbaren, wenn sie auf unterschiedliche Zeithorizonte von Handlungskalkülen zurückgeführt werden können. In kurzfristiger Perspektive erweist sich der der Markt als transaktionskostenminimaler Koodinationsmechanismus. Gleichzeitig beläßt er aber die Zukunft der Tauschbeziehung im Unsicheren. Dies erschwert Investitionen und die produktive Kombination von Ressourcen. Organisation und Institutionalisierung erweitert dagegen den Zeithorizont des Handelns und stabilisiert rationale Erwartungen der Akteure. Jegliche Organisation, auch die von monopolistischen Sonderinteressen bewirkte, macht Wahlhandlungen kalkulierbarer, und setzt Akteure instand komplexe Langfriststrategien zu entwickeln. Dadurch werden die aus ungeregelten sozialen Beziehungen resultierenden Transaktionskosten gesenkt.
In der Olsonschen Logik des Kollektiven Handelns behindert jegliches auf Sonderinteressen basierende institutionelle Arrangement die ökonomische Anpassungsfähigkeit von Gesellschaften. Dem kann entgegengehalten werden, daß durch Interessenpolitik Ordnungssysteme entstehen, die integrative Funktionen der Interessenvermittlung beinhalten.
Individuelle "Cross-Pressures", überlappende Mitgliedschaften und das Vorhandensein von "Fellow-Travellers" bewirken eine rational motivierte Offenheit von Verbänden gegenüber anderen als ihren eigenen Zielen. Sie wirken integrativ und können zu einer losen Vernetzung von Verbänden beitragen. Konflikte werden dadurch moderiert, aber nicht aufgehoben. Individuelle Präferenzkonflikte, überlappende Mitgliedschaften, und eine daraus folgende rational motivierte Offenheit sowie die soziale Einbettung individueller Akteure wirken der Ausbreitung von Sonderinteressengruppen und institutionellen Verfestigung gesellschaftlicher Interessenvermittlung entgegen. Dieses Bild von Interessenpolitik ist freilich mit Olsons Theorie nicht vereinbar.
Die aus der Perspektive der Aggregation individueller Einfachpräferenzen entworfene "Logik des kollektiven Handelns" wird durch die genannten integrativen Mechanismen in entscheidenden Punkten korrigiert. Insbesondere bewirkt eine Zunahme von Sonderinteressengruppen nicht den hohen Grad sozialer Schließung, den Olson vorhersagt. Der Ausgang von Prozessen der Gruppenbildung und gesellschaftlichen Vermachtung ist theoretisch nicht eindeutig bestimmbar. Neben den genannten sozialen "Korrekturfaktoren" trägt der zwischen Sonderinteressen fortdauerende ökonomische Wettbewerb zur Flexibilität und relativen Offenheit gesellschaftlicher Interessenvermittlung bei. Freilich bleiben die Organisierbarkeit und Durchsetzungschanchen allgemeiner Interessen begrenzt. Der Wettbewerb zwischen monopolistischen Sonderinteressen selektiert gesellschaftliche Bedürfnisse und privilegiert andere. Demokratietheoretisch ist deshalb Olson in der Tendenz - nicht jedoch im Ausmaß seiner Kritik - zuzustimmen.[24]
Das freie Kräftemessen zwischen Verbänden führt nicht zu einem für neue Bedürfnisse offenen politischen Gleichgewichtsprozess im Sinne der Pluralismustheorie. Ein politischer Allokationsmechanismus, dem der pluralistische Ausgleich einer Vielzahl gesellschaftlicher Machtansprüche zugrundeliegt, ist nicht nur wegen der ungleichen Organisierbarkeit von Interessen illusorisch. Er wäre aufgrund seiner Offenheit und geringen Organisiertheit mit Instabilitäten belastet. Es ist der unvollkommene und von lose vernetzten Verbandsakteuren regulierte politische Wettbewerb, der Gesellschaften stabilisiert und überdies Allokationsvorteile zeitigt. Er hebt die aus geringer Erwartungssicherheit resultierenden Kosten niedriger Ordnungsniveaus auf, und begrenzt gleichzeitig die aus institutioneller Verfestigung resultierenden Kosten überschießender Ordnungen. Ökonomisch wirkt sich die Regulierungsfunktion konkurrierender Sonderinteressen ganz anders aus als von Olson vermutet.
Prozesse der sozialen Schließung tragen zur Institutionalisierung des Handelns bei. Sie stabilisieren Erwartungshaltungen und reduzieren politische und ökonomische Transaktionskosten. Unter Bedingungen politischer Assoziationsfreiheit und des Wettbewerbes zwischen gesellschaftlichen Gruppen resultiert aus Interessenpolitik nicht der "Niedergang von Nationen", sondern eine Verbesserung der ökonomischen Allokationseffizienz. Der real existierende Pluralismus kapitalistischer Industriegesellschaften hat seine frühen Verfechter widerlegt, weil er nicht so offen war, wie ihre Theorien behaupteten - und er widerlegt seine Kritiker, weil er nicht das Maß sozialer Schließung und Rigidität verursacht, das sie vorausagten.
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[Note 1]
Die Unterscheidung von monopolisichem (exclusiven) und propagandistischem (inclusiven) Gemeinschaftshandeln trifft lange vor Olson schon Max Weber.[Note 2] In einem einflußreichen Aufsatz von Parsons aus dem Jahre 1959 (Voting and the Equilibrium of the American System) ist der Zusammenhang von Pluralismusansatz und frühen Konzepten der Wahlforschung noch deutlich sichtbar.
[Note 3] Elster (1987, 1989) vgl. auch Flam (1989)
[Note 4] Tatsächlich haben ja in allen westlichen Industrieländern sowohl im Parteien- als auch im Verbändesystem monopolistische Kleingruppen an Bedeutung verloren. Vielfach sind sie in intern differenzierten Großparteien oder Verbändenetzwerken aufgegangen.
[Note 5] Die von Offe und Wiesenthal (1980) betonte Differenz der organisierbarkeit von von Unternehmer- und Arbeitnehmerinteressen, erscheint vor diesem Hintergrund eher fraglich (vgl. auch Streeck 1990).
[Note 6] Olson (1982; 46) geht nur an einer Stelle auf diese Möglichkeit ein, nur um sie wegen ihrer ad-hoc behaupteten Irrelevanz, bzw. ihres angeblich seltenen Auftretens in der Wirlichkeit, aus seinem Modell auszuschließen.
[Note 7] Die Chicago-Schule der Regulierung ist diesem Zusammenhang nachgegangen und konnte zeigen, daß die Wohlfahrtsverluste durch Monopolisierung und politische Umverteilung in einem System mit freiem ökonomischem und politischem Wettbewerb starke Gegenkräfte mobilisieren. In dieser Situation lohnt es sich für die wachsende Zahl Benachteiligter zunehmend in ökonomische Alternativen und politische Lobby-Aktivitäten gegen wohlfahrtsschädliche Vermachtung zu investieren (vgl. Becker 1983, 1988).
[Note 8] Es stehen sich die "Sektion Betonstraßen" im "Österreichische Betonverein" (ÖBV) und die "Gesellschaft zur Pflege des Straßenbaues mit Teer und Asphalt" (GESTRATA) gegenüber, obwohl sie zur Unterstützung übergreifender Straßenbauinteressen zusammen in der "Österreichischen Gesellschaft für Straßenwesen (ÖGS) organisiert sind.
[Note 9] Peterson (1977) berichtet, daß die Teilnahme am schwedischen Vernehmlassungsverfahren (Remiss) für die Verbände so teuer ist, daß kleine Gruppen diesen Weg der Teilhabe am Gesetzgebungsprozess nur noch in Ausnahmefällen gehen konnen, und daß deshalb die Bedeutung der Großverbanände mit ihren wissenschaftlichen "Think-tanks" noch zugenommen hat. In einer Wettbewerbsdemokratie kommt hier die Möglichkeit der wahlpolitischen Unterstützung durch Großverbände hinzu, die für kleine Sonderinteressengruppen nicht ins Gewicht fällt.
[Note 10] so Thomas Price, Leiter der Abteilung "Regulatory and Congressional Affairs des 1987 gegründeten "Nuclear Management and Ressoruces Council", Washington, in einem Interview am 1.Dez.1989.
[Note 11] Entgegen den Aussagen einiger Repräsentanten von Kraftwerksbetreibern haben meine Recherchen zur Regulierung der Nuklearindustrien in den USA und der Bundesrepublik (im Rahmen des Projektes "Administrative Interessenvermittlung im Sonderforschungsbereich 221 "Verwaltung im Wandel" der Universität Konstanz) einen erheblichen Staatseinfluß auf die Reorganisation der Verbände in den achtziger Jahren erkennen lassen.
[Note 12] Michael S. Callahan, Congressional Affairs Officer, Nuclear Regulatory Commission (Washington) in einem Interview am 1.Dez.1990
[Note 13] Das OMB ist der "regulator of regulators". Es dient NUMARC als Ansprechpartner bei Regulierungskonflikten, etwa zwischen NRC und EPA.
[Note 14] Thomas Price, Director, Industry and Government Relations Division, Nuclear Management and Resources Council (Washington), in einem Interview am 1.Dez. 1990
[Note 15] Prof. Todorowich, Executive Director, Scientists and Engineers for Secure Energy (New York) in einem Interview am 12. Dez. 1989
[Note 16] Prof. Thodorowich, Scientists and Engineers for Secure Energy
[Note 17] dies läßt sich durch den Vergleich der Organisation, Politik und wirtschaftlichen Auswirkungen von Systemen der industriellen Beziehungen nachweisen (Czada 1987).
[Note 18] wie sich bereits kleine Unternehmerverbände aufgrund zunehmender Aufgaben ausdifferenzieren und dadurch das Maß überlappender Mitgliedschaft noch erhöht wird, zeigen Streeck (1990) und van Waarden (in diesem Band)
[Note 19] Der Leichtwasserreaktor hat sich weltweit am stärksten durchgesetzt, auch in den Ländern die ursprünglich mit starker Unterstützung des Staates und militärischer Interessen (z.B. Frankreich) andere Reaktorkonzepte verfolgt hatten.
[Note 20] Gelegentlich benützt M. Weber die Begriffe soziale Schließung und Regulierung synonym (z.B.: WuG; 24).
[Note 21] Weitere Quellen der Institutionalisierung wären politische, eher wertrationale oder gar affektuell beeinflußte Ziele; Freiheit, Gleicheit etwa. Diese sind der Begrenzung von Teilhabechanchen entgegengerichtet, beruhen nicht auf "monopolisistischen", sondern "proagandistischen" Verbandsinteressen.
[Note 22] vgl hier die Ausführungen Webers zur Herausbildung und Geltung sozialer Ordnungen (etwa Weber 1972 (WuG); 16, 201ff)
[Note 23] Hier ist nicht der Ort, diesen Vermittlungsmechanismus nachzuzeichnen, also etwa der Frage nach den Prozessen der Integration oder Agreggation individueller Präferenzen durch Institituionen nachzugehen. Vgl zum Zusammenhang von institutionalistischen und nutzentheoretischen Ansätzen Windhoff-Héritier 1990, zu den institutionellen Mechanismen politischer Willensbildung Czada/Lehmbruch 1990.
[Note 24] Wenngleich der Selektionsmechanismus insofern unspezifisch bleibt, als einer dauerhaften verschwörerischen Zusammenarbeit von Sonderinteressengruppen enge Grenzen gesetzt sind, da sie fortgesetzt um Anteile am Sozialprodukt konkurrieren. Die technische, ökonomische und sozio-kulturelle Dynamik kapitalistischer Systeme wirkt überdies einer Verfestigung größerer Verteilungskoalitionen entgegen.